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Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Autoren: Laura Walden
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gereist war. Und wozu das alles? Um vergeblich auf einen Mann zu warten, den sie kaum kannte?
    Vielleicht hat Vater ja gar nicht so unrecht, und sein Heimatland besteht wirklich nur aus ein paar Wiesen mit Schafen, wo lediglich verschrobene Hinterwäldler leben, ging es Grace durch den Kopf, während sie erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr warf. Noch immer hatte sie seine Stimme im Ohr: Was treibt dich bloß zu den Kiwis, wenn du keinen Schafzüchter heiraten, keine Treckingtouren machen und kein Speedboot fahren willst?
    Grace stieß einen tiefen Seufzer aus. Ihr Vater hatte ihr die Reise bis zuletzt ausreden wollen und nicht mit zynischen Bemerkungen gespart. Es war ihm ganz offensichtlich unbegreiflich, dass sie wegen eines Urlaubsflirts so eine Strapaze auf sich nehmen wollte.
    Von ihrem beruflichen und mindestens ebenso gewichtigen Grund für diese Reise hatte sie ihm nichts erzählt. Ihr Verhältnis war derzeit nicht das beste. Wer weiß, was er dazu gesagt hätte, dass ich eine Einladung dieser neuseeländischen Professorin in der Tasche habe, dachte Grace.
    Dad, du bist doch selbst ein Kiwi, hatte sie mehrfach eingewandt, wenn er sich wieder einmal abfällig über sein Heimatland äußerte.
    Eben drum, hatte Ethan Cameron unwirsch erwidert.
    Doch seit Grace in der Schule einmal ein Bild von Neuseeland gesehen hatte, war sie fest entschlossen, eines Tages in die Heimat ihres Vaters zu reisen, ob es ihm nun passte oder nicht! Es zog sie geradezu magisch nach Aotearoa, in jenes ferne Land der weißen Wolke am anderen Ende der Welt. Und nun hatte sie gleich zwei gute Gründe, um sich diesen Traum zu erfüllen.
    Ihr Vater war nicht mehr in Neuseeland gewesen, seit er mit ihrer Mutter Claudia, die dort als Au-pair-Mädchen gearbeitet hatte, nach Deutschland ausgewandert war. Und das lag nun schon über siebenunddreißig Jahre zurück.
    Lange hatte Grace geglaubt, ihre Eltern hätten nur geheiratet, weil ihre Mutter mit ihr schwanger gewesen war, denn Claudia und Ethan hatten sich nie besonders gut verstanden. Claudia hatte ihren Mann über alles geliebt, keine Frage, aber Grace wagte zu bezweifeln, dass er ihre Liebe erwidert hatte. Sonst hätte sich Claudia niemals so etwas Entsetzliches angetan. Noch immer drehte sich Grace der Magen um bei dem Gedanken, wie ihre Mutter gelitten haben musste, um nur noch den einen, den letzten Ausweg zu sehen. Und nun konnte sie Claudia nicht einmal mehr fragen: Warum habt ihr beiden überhaupt geheiratet, wenn es gar nicht meinetwegen war?
    Inzwischen wusste Grace nämlich, dass Claudia niemals mit ihr schwanger gewesen war, eine schmerzliche Wahrheit, die sie zu verdrängen suchte. Manchmal wünschte Grace, Claudia hätte in ihrem Abschiedsbrief verschwiegen, dass sie adoptiert war. Auch Ethan hatte getobt, als er das Schreiben gelesen hatte: »Warum hat sie das nur getan? Warum?«, hatte er verzweifelt ausgerufen. Der Selbstmord seiner Frau hatte ihn ebenso aus der Fassung gebracht wie das Geständnis Grace gegenüber, dass sie nicht ihre leibliche Tochter, sondern ein Adoptivkind war.
    »Wer sind denn meine Eltern?«, hatte Grace Ethan im ersten Schock angeschrien. »Verdammt noch mal, wer sind meine Eltern?«
    Ethan hatte nur mit den Schultern gezuckt. »Wir haben dich kurz nach unserer Hochzeit bekommen und sind dann mit dir nach Berlin gezogen. Woher soll ich wissen, wer diese Leute sind? Das sagen einem die Behörden nicht.« Bei diesen Worten war er rot angelaufen.
    Daher ahnte Grace, dass er sie belogen hatte, doch sie hatte beschlossen, ihre Herkunft nicht weiter zu ergründen. Sie hatte seelisch genug zu verkraften mit dem, was ihr die beiden Menschen angetan hatten, die sie bislang wie Eltern geliebt hatte. Erst hatte Ethan Claudia wegen einer jungen Frau verlassen, und dann hatte sich Claudia aus dem Leben gestohlen und ihre Tochter mit ihrem Kummer alleingelassen. Das war nicht fair. Grace fröstelte.
    Eine tiefe männliche Stimme riss sie aus den Gedanken. »Entschuldigen Sie bitte, kann ich Ihnen helfen? Sind Sie vielleicht Grace Cameron?«
    Erstaunt bemerkte Grace einen gut aussehenden Mann Mitte dreißig, der ziemlich verlegen wirkte. »Woher kennen Sie meinen Namen?«, wollte sie wissen.
    »Mein Bruder, also, der hat mich gestern angerufen und mich gebeten, Sie bis nach Dunedin mitzunehmen.«
    Grace musterte den Fremden eindringlich. Ganz entfernt hatte ihr Gegenüber eine gewisse Ähnlichkeit mit Barry Tonka. Er war zwar größer und schlanker als Barry
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