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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings
Autoren: Marina Fiorato
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hatte; sein Haar lockte sich wie das seines Vetters, war aber länger, und die Ähnlichkeit war stärker denn je. In diesem Moment war mir, als würde sich das grüne Glasmesser tatsächlich in meine Kehle bohren und ich würde innerlich verbluten.
    Dann drehte er sich zu mir um, und ich wäre beinahe zum zweiten Mal in meinem Leben bei einer Hochzeit in einer Kathedrale in Ohnmacht gefallen.
    Es war Bruder Guido.
    Am Leben, atmend und lächelnd. Er reichte mir eine Hand, an deren Daumen der goldene Ring mit den palle blitzte.
    Er war dünner, glatt rasiert und trug sein Haar etwas länger als früher. Mein Herz quoll vor Liebe und Verlangen fast über. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Hand mit dem Ring böse Brandnarben aufwies; leuchtend rote, glatte, frisch verheilte Haut spannte sich über den langen Knochen. Ich fragte mich, welche anderen Verletzungen sich wohl unter seinen kostbaren Gewändern verbargen, störte mich aber nicht daran - er war und blieb meine einzige wahre Liebe, egal wie entstellt er sein mochte.
    Ich konnte der Messe nicht folgen; konnte vor lauter Glück kaum atmen. Konnte kaum meine rechte Hand zum traditionellen toskanischen Gruß an meinen Bräutigam und meine Gäste heben. Konnte weder den Priester ansehen noch seine Worte in mich aufnehmen noch den Blick von meinem - konnte es wirklich wahr sein? - meinem Mann abwenden.
    Es gelang mir, auf die Frage des Priesters mit einem Ja zu antworten, dann waren wir verheiratet.

    Ich hielt seine verbrannte Hand, als wir gemeinsam den Gang hinunterschritten. Dabei fing ich den Blick meiner Mutter auf, die mir unter ihrer Maske hervor zulächelte. Draußen konnten wir endlich ein paar Worte miteinander wechseln, während wir den Kindern Münzen zuwarfen. Mir lagen tausend Fragen auf der Zunge, aber ich begnügte mich mit zweien.
    »Was ist passiert? Wo ist Niccolo?«
    »Tot. Er bekam Wundbrand und starb an seiner Beinverletzung.«
    Ich erinnerte mich an die Worte meiner Mutter. Sein Zustand wird die Hochzeit nicht beeinträchtigen, sie wird fast wie geplant stattfinden . Dann hatte sie mir versprochen, dass ich glücklich sein würde. Ich musste lächeln.
    »Also war ich der einzige noch lebende Erbe der della Torres«, fuhr er fort. »Und ich war endlich bereit, mein Erbe anzutreten. Ich habe dir ja einmal gesagt, wie schnell in der toskanischen Politik Veränderungen eintreten können. Der Wurm ganz unten im Misthaufen kann am nächsten Tag der König der Burg sein.«
    Die Kinder grabschten nach den Münzen rings um unsere Füße, aber wir hätten genauso gut allein auf der Welt sein können.
    Mein Mann strich mir liebevoll eine goldene Locke hinter das Ohr. »Als ich in den Orden eintrat, war ich jung und unbedarft. Ich liebte die Kirche, und ich liebte Bücher, aber ich wusste nichts von der Welt. Das habe ich erst von dir gelernt. In Rom erlosch meine Liebe zur Kirche.« Sein Gesicht umwölkte sich. »Aber jetzt weiß ich, dass ich Gott und dich zugleich lieben kann und keine Wahl treffen muss. Meine Kirche ist nicht länger meine Kirche, aber mein Gott wird immer mein Gott bleiben.«
    »Aber wie... wie hast du dieses Inferno überlebt?«
    »Ich bin ins Wasser gesprungen, obwohl ich nicht schwimmen konnte, weil ich lichterloh in Flammen stand. Und dann habe ich mich am Mast des Flaggschiffs festgeklammert, weil
mir das Leben, seit du ein Teil davon bist, kostbarer erschien als je zuvor. Der Sturm tobte mit unverminderter Gewalt, und einmal hätte ich den Mast vor Schmerzen fast losgelassen, denn meine Hände waren schlimm verbrannt, und das Salz brannte wie Essig in den Wunden. Aber etwas gab mir die Kraft, durchzuhalten.«
    »Ich?«, fragte ich hoffnungsvoll. Jetzt wusste ich, dass das Gebet, das ich im Leuchtturm gen Himmel geschickt hatte, erhört worden war.
    Er lächelte. »In gewisser Hinsicht ja. Vielleicht sollten wir uns bei deinem Alter Ego bedanken, der Göttin Flora. Als ich Wasser schluckte und kaum noch Luft bekam, sah ich ihre Gestalt vor mir, deine Gestalt, das Kind, das sie unter dem Herzen trug, und das darin enthaltene Versprechen von Leben. Da wusste ich, dass ich um jeden Preis überleben wollte, um den Frühling kommen zu sehen. Aber die Figur in meiner Vision hatte kein Gesicht, genau wie die in dem cartone, und mir wurde klar, dass ich dein Gesicht unbedingt wiedersehen musste.« Er umfasste meine Wangen, als wolle er sich vergewissern, dass ich wirklich existierte. »Im selben Moment erblickte ich die
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