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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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    |7| Du kannst Uschi zu mir sagen
    Audrey findet Sex über den Wolken super, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. «Bei Gewitter kannst du es nämlich vergessen,
     einen Orgasmus zu kriegen, weil das Rumpeln dich ständig aus dem Rhythmus bringt», erklärt sie mit ernster Miene und nippt
     an ihrem Kaffee.
    Seit gut einer Stunde erzählt Audrey von ihren erotischen Abenteuern, und inzwischen kommt mir das Kamasutra ziemlich lückenhaft
     vor.
    «Bei Gewitter muss man aus Sicherheitsgründen ja eigentlich auch immer angeschnallt bleiben», erklärt Henning mit vorwurfsvoller
     Miene. Er sitzt rechts von mir am Fenster und hat auf den freien Platz zwischen uns einen Ratgeber gegen Flugangst und ein
     ziemlich abgegriffenes Stofftier gelegt.
    «Da hab ich aber andere Sachen erlebt», erwidert Audrey amüsiert. «Ich bin schon mit Airlines geflogen, da gab es an manchen
     Sitzen überhaupt keine Gurte. Außerdem durfte man rauchen und telefonieren. Und als ich gefragt hab, ob Handys nicht die
     Bordelektronik stören, hat die Stewardess geantwortet: ‹Welche Bordelektronik?›»
    Henning verzieht gequält das Gesicht. Offenbar sind solche Gespräche in zwölftausend Meter Höhe kein gutes Rezept gegen seine
     Flugangst.
    |8| «Ist das ein Glücksbringer?», fragt Audrey und deutet auf das Stoffknäuel auf dem freien Platz.
    Henning nickt. «Ein Biber. Hat mir mein Sohn geschenkt.»
    «Süß. Wie alt ist er denn?», fragt Audrey interessiert.
    Henning blickt ratlos auf seinen Biber.
    «Der Sohn, nicht der Biber», werfe ich ein. Ich habe schon gemerkt, dass man Henning gelegentlich auf die Sprünge helfen
     muss, weil er sonst flugangstbedingt die Reaktionszeit einer Galapagosschildkröte hat.
    «Ach so. Zwölf.»
    «Ich hab auch einen Glücksbringer», grinst Audrey. «Ein Tattoo.»
    Henning schaut sie interessiert an. Für den Moment scheint er seine Sorgen vergessen zu haben.
    Sie errät seine Gedanken und schüttelt den Kopf. «Kann ich jetzt leider nicht zeigen. Ist nicht jugendfrei.» Dabei wirft Audrey
     einen vielsagenden Blick auf ein paar pubertierende Jungs in der Reihe vor uns. Die Clique hatte zu Beginn des Fluges lautstark
     mit erotischen Urlaubsplänen geprahlt, war aber während der Schilderungen von Audrey zunehmend stiller geworden. Inzwischen
     herrscht ehrfürchtiges Schweigen unter den Halbstarken. Ich vermute, sie überlegen gerade, ob sie wirklich schon bereit
     sind für das Abenteuer Sex oder ob Tischfußball und Nachtwanderungen nicht auch schöne Freizeitbeschäftigungen sind.
    Kapitän Arne Petersen setzt uns nun davon in Kenntnis, dass wir die Reiseflughöhe soeben verlassen haben und uns im Anflug
     auf Palma de Mallorca befinden. Das hätte ich auch ohne Durchsage gewusst, denn gerade krallen sich Hennings Fingernägel
     in die Armlehnen.
    |9| «Oh, dann muss ich schnell nochmal wohin», zwitschert Audrey, springt auf und hat die Toilettentür hinter sich geschlossen,
     bevor Henning einwenden kann, dass die Anschnallzeichen längst leuchten.
    Henning ist um die vierzig und hat seine Bio-Imkerei von Deutschland nach Mallorca verlegt. Seine Familie wollte sich ihren
     Traum von einem Leben unter südlicher Sonne erfüllen, weshalb Henning nun alle zwei Wochen unter Höllenqualen in die alte
     Heimat fliegt, weil er dort den größten Teil seiner Ernte absetzt. Ökologisch findet Henning das selbst alles äußerst fragwürdig,
     aber er muss eine bis zum Windrad verschuldete Finca abbezahlen, hat zudem Ärger mit dem Finanzamt, sein Sohn will ein Segelboot,
     die Tochter ein eigenes Pferd und Hennings Frau hat das Hobby, ihm ständig mit Scheidung zu drohen. Darüber hat er irgendwie
     Flugangst bekommen. Ich sage dazu nichts, denn ich glaube, wenn die Bank erst seine Bienenstöcke zwangsversteigern lässt,
     wird Henning schon selbst drauf kommen, was der Auslöser sein könnte.
    «Der Copilot ist total süß», schwärmt Audrey und lässt sich wieder in ihren Sitz fallen. Henning schaut besorgt zu ihr herüber,
     Audrey winkt locker ab. «Keine Sorge. Wir haben nur ein bisschen geflirtet.»
    Audrey ist Mitte zwanzig und von Beruf Fotografin. Sie jettet durch die Weltgeschichte und schießt Modefotos für Hochglanzmagazine,
     am liebsten Bilder von Beachboys in Unterwäsche oder Badehose. Manchmal auch ohne Hose, das kommt laut Audrey ganz aufs Magazin
     an.
    Mit sechzehn ist sie nach New York gezogen, um Fotografie zu studieren, und wurde die Muse ihres Professors, eines
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