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Draculas Eisleichen

Draculas Eisleichen

Titel: Draculas Eisleichen
Autoren: Jason Dark
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Die Tür flog auf, der scharfe Wind fauchte in den Raum, und Mesrin schlug blitzschnell hintereinander mit beiden Händen auf seinen Schreibtisch, um die dort verteilten Unterlagen festzuhalten, damit sie vom Durchzug nicht weggeweht wurden.
    Dann knallte die Tür so heftig zu, daß es sich wie ein Schuß anhörte.
    Iljuk stand in der Baracke. Auf seiner gefütterten Jacke glänzten Schneekristalle. Er starrte auf den Ofen und beschwerte sich mit zitternder Stimme.
    Mesrin kannte ihn und ließ ihn nicht aus den Augen. So hatte er Iljuk, den Fischer, noch nicht gesehen. Klar, der Mann zitterte nicht nur wegen der Kälte, er hatte Angst. Sein breites Gesicht mit den Bartstoppeln sah grau aus. Die dunklen Pupillen bewegten sich unkontrolliert, es war ihnen unmöglich, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Iljuk trug eine wärmende Hose aus fingerdickem Stoff, die Kapuze der Jacke hatte er nach hinten geschoben.
    Mesrin blieb ruhig. Er war hier der Chef der kleinen Wetterstation. Ein Mann, der sich bewußt ans Eismeer hatte versetzen lassen, denn dieser Job wurde gut bezahlt. Mesrin brauchte Geld für seine beiden unehelichen Kinder.
    Natürlich wurde nicht nur das Wetter beobachtet. Hin und wieder nahm Mesrin auch bestimmte Meldungen und Funksprüche entgegen und leitete sie an den KGB weiter. Darin sah er nichts Unrechtes, er diente seinem Land gern, obwohl die UdSSR wirtschaftlich in großen Schwierigkeiten steckte und ein Mann wie Gorbi es verdammt schwer hatte, seinen Kurs durchzusetzen. Mesrin, weit vom Schuß, drückte ihm trotzdem beide Daumen.
    Er drehte sich auf seinem Stuhl und lächelte Iljuk an. »Was ist denn passiert, zum Teufel?«
    Der Fischer mußte zunächst tief Luft holen. »Sie müssen mitkommen. Sie müssen sich das ansehen.« In seiner Not siezte ihn der Mann sogar.
    »Was und wo?«
    »Am Strand, wo die Boote liegen. Da ist etwas angetrieben worden.«
    »Und was, bitte?«
    »Kommen Sie mit!« Iljuk wollte nicht näher darauf eingehen. »Schauen Sie es sich an.«
    Mesrin überlegte. Während er das tat, fuhr er langsam mit den Fingern durch seinen struppigen Bart, als wollte er nach einem bestimmten Ungeziefer suchen. Iljuk war kein Spinner. Wenn er sich dermaßen aufgeregt gab, mußte ihn schon etwas aus der Fassung gebracht haben.
    Der Schnee auf seiner Kleidung taute weg. Auf dem Boden bildeten sich kleine Pfützen. Mesrin gab aber auch zu, daß er kaum Zeit hatte. Er mußte einige Berechnungen durchführen. Seit dem Ende des Golfkrieges herrschte überall in den Wetterstationen höchste Alarmbereitschaft, weil von dort die Atmosphäre abgesucht und untersucht wurde. Da mußten sich irgendwelche Spuren finden lassen.
    Der Wind würde den gesamten Druck über den Erdball verteilen, so jedenfalls lautete die Prognose der Wissenschaft.
    »Bitte, Mesrin, du mußt kommen! Du bist der Chef hier. Es ist nicht zu fassen.«
    »Ja, ist gut.« Der Mann hatte sich entschlossen. Er stand auf und grinste. »Dir kann man ja keine Bitte abschlagen, mein Junge. Ich werde die Sache mal genauer unter die Lupe nehmen.«
    »Danke.«
    Mesrin griff zur Jacke. Er hatte sie über einen Haken gehängt.
    Gemächlich schlüpfte er in die gefütterten Weichstiefel. Iljuks Nervosität nahm zu, er trat von einem Fuß auf den anderen und verdrehte dabei die Augen, ein Zeichen, daß es ihm nicht schnell genug ging.
    »Nur keine Hast«, sagte der Wissenschaftler und grifi nach der dunklen Brille. Die Ohrenschützer hatte er bereits über den Kopf gestülpt. »Das Etwas wird schon nicht verschwunden sein.«
    »Es wäre besser, wenn…«
    »Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Dann hätten wir aber keinen Beweis.« Mesrin tippte seinen Zeigefinger gegen Iljuks Brust.
    »Ist mir auch egal.« Der Fischer drehte sich um und öffnete die Tür. Er stemmte sich gegen den Wind, als er nach draußen ging.
    Hier oben im Nordwesten der UdSSR war es immer windig. Es gab einfach keine windstillen Tage. Im letzten Winter waren die gewaltigen Stürme ausgeblieben, und auch das Frühjahr hatte sich nicht so schlimm gegeben, obwohl es jetzt, Ende April, noch immer bitterkalt war. Der Schnee lag weiterhin dick und taute nur in der Sonne. Die mächtigen Eispanzer vor der Küste blieben sowieso. Es waren gewaltige Inseln aus Eis, die im grauen Wasser des Meeres dahertrieben.
    Die kleine Station lag in einer geschützten Talmulde. Mächtige Felsen deckten sie zum Hinterland hin ab. Es gab nur eine Straße, die hatte man in das Gestein sprengen müssen. Einige
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