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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings
Autoren: Marina Fiorato
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Unterschlupf verlasst. Ich muss darauf bestehen, dass Ihr bleibt, und um Euch die Entscheidung leichter zu machen, darf ich nicht vergessen, Euch darauf hinzuweisen, dass dieser Turm von meinen Männern bewacht wird.«
    »Von Euren Männern? Tatsächlich?« Lorenzo wirkte belustigt, obwohl er so gut wie in der Falle saß. Wieder keimte Unbehagen in mir auf - der Hummer im Topf sollte den Fischer, der
ihn dorthin gebracht hatte, nicht auslachen. »In diesem Fall wäre es ungehobelt von mir, nicht noch eine Weile zu bleiben und mich mit Euch zu unterhalten. Wüsstet Ihr ein passendes Thema?«
    »Ja. Wie steht es denn mit Eurer Außenpolitik?« Die Frage kam rasiermesserscharf.
    »Keine größeren Ereignisse«, erwiderte Lorenzo glatt. »Aber was das Inland betrifft - da habe ich gerade in ein Bündnis investiert, das hoffentlich reichlich Zinsen abwirft.«
    »Es besteht aber ein Unterschied zwischen berechtigten Zinsforderungen und Wucher.«
    Beide Männer lauerten jetzt ganz offensichtlich darauf, den Gegner in die Enge treiben zu können. Lorenzo holte zum ersten Schlag aus.
    »Da wir gerade von Zinsen sprechen... Wie sieht es denn mit Eurem Bankdarlehen aus?«
    »Da besteht kein Grund zur Sorge, danke der Nachfrage.«
    Eine kleine Pause trat ein, die ich nutzte, um den Dogen am Ärmel zu zupfen, denn die Zeit drängte.
    Er drehte sich zu mir um, dann wandte er sich wieder an Il Magnifico. »Ach ja. Wie ich vorhin schon andeutete, hat mein Gast oben etwas zu erledigen. Ihr werdet selbstverständlich nicht versuchen, sie davon abzuhalten.«
    »Das würde mir nicht im Traum einfallen. Geht nur, meine Liebe, la lanterna wartet.«
    Verwirrt hielt ich seinem granitgrauen Blick stand, während ich rückwärts zur Tür zurückwich. Ich rechnete mit irgendeiner List. Lorenzo Il Magnifico würde doch sicherlich nicht tatenlos zusehen, wie ich seine hochfliegenden Pläne durchkreuzte?«
    Aber ich überließ die beiden Männer ihrem Austausch falscher Höflichkeiten und stieg zur zweiten Ebene empor. Als ich die obere Kammer betrat, fielen mir drei Dinge auf.
    Cosa uno: Die Laterne stand in der Mitte des Raumes wie eine durch die Wolken brechende Sonne - ein aus vielen facettierten Kristallen konstruiertes Glas, in dem eine von, wie
mir meine Nase verriet, Olivenöl genährte gewaltige Flamme loderte. Das Licht leuchtete hell, obwohl die vier Winde durch vier offene Fenster heulten und an meinem Haar und meinen Kleidern zerrten. Die Windrösser verschworen sich gegen mich, um mich in die Nacht hinauszuwehen, sodass ich mit aller Kraft gegen sie ankämpfen musste. Trotzdem erlosch die Laterne nicht - eine Linse, die das Licht auffing und wie der größte Diamant der Welt tausendfach zurückwarf. Ein zweiter Stern von Bethlehem, der die Schiffe heimleitete.
    Cosa due: Meine Füße klebten am Boden wie damals in meinem Haus am Arno, denn ein Strom von Blut quoll aus den aufgeschlitzten Kehlen der beiden genuesischen Wachposten, die tot auf dem kalten Stein lagen. Ein kurzer Blick verriet mir, dass es sich bei keinem von beiden um Bartolomeo handelte, grazie, Madonna . Und:
    Cosa tre : Ich begriff, warum der Gebieter von Florenz mich nicht daran gehindert hatte, die Treppe hochzusteigen, denn vor mir, schwarz wie die Nacht und dunkel wie der Tod, bewachte der verhüllte Aussätzige Cyriax Melanchthon die Laterne wie der Sensenmann persönlich.
    Einen Moment lang musterten wir uns. Er stand regungslos da, während sein Unreinengewand sich im Wind blähte wie ein Segel. Schwarze Bandagen bedeckten sein Gesicht und ließen nur die silbernen Augen frei, die bis auf den Grund meiner Seele zu blicken schienen. Jäger und Beute standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Diesmal wurde mein Entsetzen noch von der nagenden Furcht überdeckt, dass es mir nicht gelingen würde, die Laterne zu löschen; das zu tun, was mir aufgetragen worden war. Doch mir blieb keine Zeit mehr, weiter darüber nachzudenken, denn der Aussätzige stürzte sich auf mich.
    Er umschloss meinen Hals mit eisernem Griff. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen, Feuer und Blut rauschten in meinen Ohren. Ich bekam keine Luft mehr, obwohl er mich nur mit einer seiner entstellten Hände würgte - mit der anderen
tastete er nach seinem Messer. Ich hätte um mein Leben gefleht, aber ich konnte nicht sprechen... konnte nicht sprechen... Dann fiel mir blitzartig wieder ein, was Nikodemus von Padua gesagt hatte: Er hat keinen Unterkiefer, daher kann er nicht sprechen.
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