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Blutlinien - Koeln Krimi

Blutlinien - Koeln Krimi

Titel: Blutlinien - Koeln Krimi
Autoren: Myriane Angelowski
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Köln-Innenstadt, »Maxbar«
    Küsse. Zu mehr ließ sich Karina nicht hinreißen. Nach dem zweiten Cocktail knisterte es gewaltig, und für einen Moment gefiel sie sich in der Rolle der Femme fatale. Früher hätte sie sich ihren Gefühlen ohne nachzudenken hingegeben, noch heftiger geflirtet und versucht, die schönsten Augen des Abends mit nach Hause zu nehmen.
    Diese Zeiten waren definitiv vorbei.
    Dumpfe Technobässe lösten den Elektrobeat ab, die Magie des Augenblicks verflog. Schlagartig überkam Karina Nüchternheit, und sie entzog sich behutsam den Händen, die ihre Hüften fordernd umschlossen. Die Luft in der »Maxbar« war zum Schneiden. Verschwitzte Körper drängten um die Theke, junge, gut aussehende Menschen in angesagten Klamotten tanzten sich auf der kleinen Tanzfläche heiß.
    Karina fühlte sich fehl am Platz.
    Zudem war sie nicht bereit, ihr Glück für ein kleines Abenteuer aufs Spiel zu setzen. Das Leben hatte sie gelehrt, dass es manchmal besser war, den Kopf einzuschalten. Außerdem blieben ihr schon jetzt nur fünf Stunden Schlaf. Das grelle Licht im Operationssaal kaschierte nichts. Frühdienst. Leben retten und verlieren. Volle Konzentration, vierundzwanzig Stunden.
    Karina drückte sich an der Theke vorbei zu den Toiletten, wusch sich das Gesicht mit eisigem Wasser, ließ den Strahl über ihre Handgelenke laufen. Sie sah in den Spiegel. Das Neonlicht über dem Waschbecken konfrontierte sie erbarmungslos mit Krähenfüßen und verschmiertem Lippenstift. Ihre Haut wirkte fahl, die schwarzen Haare strähnig. Super. Geh nach Hause, altes Mädchen. Ein Blick auf die Armbanduhr unterstützte das Vorhaben. Karina bahnte sich einen Weg zurück zum Barhocker, griff die Handtasche und das zeitlose Jackett.
    »Das waren nette After-Work-Drinks«, hauchte sie und wusste, dass der unwiederbringliche Endpunkt dieses Flirts gekommen war.
    Erstaunte Augen. »Du willst schon gehen?«
    »Zwei Cocktails sind genug.« Sie bestellte ein Mineralwasser und stürzte es hastig herunter.
    »Soll ich dich nicht wenigstens zu deinem Wagen bringen? Es passiert so viel …«
    Für Besorgtheit war Karina empfänglich, trotzdem lehnte sie ab.
    Schwer fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Kühle Nachtluft verhalf zu Klarheit, den Alkohol spürte sie kaum. Sie zündete sich eine Zigarette an und widerstand dem kurzen Impuls, doch noch einmal in die Bar zu stürmen und letzte Liebkosungen abzusahnen. Sei vernünftig, du musst nach Hause. Außerdem meldete sich ein heller Pfeifton in ihren Ohren. Drei Stunden Beschallung hinterließen Spuren.
    Sie atmete durch und sondierte die Lage. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite grölten Jugendliche, und ein Typ in Lederkluft versuchte sein Moped anzutreten.
    Sie knöpfte die Jacke zu und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen, der in der Nähe der Engelbertstraße stand. Nachtschwärmer kamen ihr entgegen. Auf dem Hohenstaufenring herrschte reges Treiben. Sie fühlte sich sicher. Allerdings meldete sich ihr Gewissen.
    Einen einzigen Drink hatte sie nehmen wollen. Einen und nicht zwei. Und überhaupt, was trieb sie sich schon wieder in Bars herum? Brauchte sie die Bestätigung des jungen Gemüses?
    Blödsinn. Sie hatte ein Recht darauf, ihr Leben zu genießen.
    Rabenmutter!, schimpfte die Stimme in ihr. Du hättest nach Hause fahren und ein langes Telefonat mit deinem Sohn führen müssen. Er macht gerade eine schwere Zeit durch. Stattdessen hast du ihm erzählt, dass du Nachtdienst hast.
    Der Dienstplan hatte sich kurzfristig geändert, nur deshalb konnte sie losziehen. Außerdem war sie eine gute Mutter und eine treue Partnerin, wie sie gerade eben mal wieder bewiesen hatte.
    Als sie am Café Orlando vorbeiging, klackte unmittelbar hinter ihr ein Zippo-Feuerzeug. Karina widerstand dem Impuls, sich umzudrehen, beschleunigte das Tempo und verfluchte ihre hohen Pumps. Ganz ruhig. Du bist mitten in der Stadt.
    Autos rasten vorbei, ein Taxi fuhr Schritttempo, ganz in der Nähe knatterte ein Zweitaktmotor. Erleichtert erkannte Karina ihren Wagen und drückte den Türöffner. Die Lichter des Toyotas blinkten zweimal auf wie zur Begrüßung. Sie umfasste den Griff der Fahrertür, ließ sich auf den Sitz fallen, verriegelte und blickte zum Innenspiegel.
    Kein Mensch zu sehen. Alles okay, komm wieder runter.
    Kurze Zeit später bog sie von der Moltkestraße auf die Aachener, fuhr ein kurzes Stück stadtauswärts und auf die Innere Kanalstraße. Mechanisch schob sie eine CD in den
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