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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Autoren: Alfredo Colitto
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Temperament, war warm und trocken, soweit Mondino das beurteilen konnte. Sein Gegenüber beeindruckte durch eine brennende nervöse Energie, die von seinem ganzen, in das schwarzweiße Gewand der Dominikaner gehüllten Körper ausging, die sich aber vor allem in den schwarz funkelnden, eng stehenden Augen spiegelte.
    »Friede mit Euch, Vater«, sagte Mondino. »Warum seid Ihr so spät noch unterwegs?«
    »Diese Frage könnte ich ebenso gut Euch stellen«, erwiderte der Dominikaner. Er hielt beinahe drei Schritte Abstand zu ihm, ein Trick, den kleine Männer oft anwandten, um einem größeren Gegenüber in die Augen sehen zu können, ohne den Kopf in den Nacken legen zu müssen. »Wenn ein Mann nachts wach ist, anstatt zu schlafen, muss man befürchten, dass ihn unerlaubte Beweggründe dazu veranlassen und nicht das Bedürfnis, dem Willen Gottes zu entsprechen.«

    Mondino wusste genau, dass es besser war, nicht auf diese Provokation zu reagieren, sondern stattdessen möglichst ausweichend auf die Fragen zu antworten in der Hoffnung, dass die Sbirren, wie die Häscher im Volksmund hießen, ihn in Ruhe ließen und der Inquisitor bald ging. Doch wieder einmal machte ihm sein impulsives Temperament einen Strich durch die Rechnung.
    »In dieser Stadt sind es hauptsächlich die Geistlichen, die zu später Stunde Gottes Willen entsprechen«, sagte er.
    Er sah dem Mönch an, dass er die studentische Verwendung dieser Redensart kannte. Gottes Wille war bekanntlich »Gehet hin und mehret Euch!«, und so hatte es sich unter den Scholaren verbreitet, auf diese Weise den Geschlechtsakt zu umschreiben. Mit dieser Aussage hatte der Arzt Uberto in eine Zwickmühle gebracht: Wenn dieser seine Worte bestätigte, würde er damit quasi zugeben, dass die Mönche nachts zu Dirnen gingen. Andererseits konnte er sich und seine Glaubensbrüder aber auch nicht Lügen strafen, die über sich sagten, dass sie die Nacht damit zubrachten, Gott so gut wie möglich zu dienen.
    Mondino blieb jedoch nicht genug Zeit, um seine eigene Scharfsinnigkeit auszukosten. Uberto da Rimini sagte nur einen Satz: »Nehmt ihn fest.« Und bevor Mondino sich auch nur rühren konnte, standen bereits zwei Männer neben und einer hinter ihm.
    »Was habt Ihr vor, Inquisitor?«, fragte Mondino ganz gelassen. »Ich bin kein Ketzer und habe kein Verbrechen begangen. Ich bin Mondino de’ Liuzzi, Arzt des Studiums .«
    Der Abscheu auf dem Gesicht des Mönches zeigte sich nun noch unverhüllter. »Ich weiß genau, wer Ihr seid. Der Quacksalber, der die Medizin verdorben hat, indem er den Brauch einführte, unter offener Verletzung einer päpstlichen Bulle menschliche Körper zu zerteilen. Kein Wunder, dass Ihr so
unverschämt gegen jemanden seid, der das Wort Christi verbreitet.«
    »Die Bulle De sepulturis verbietet nur, Leichen zu zerstückeln und zu kochen, aber nicht, sie zu Forschungszwecken zu sezieren«, erwiderte Mondino. »Sie wurde vor allem deshalb erlassen, weil der Handel mit falschen Reliquien und Heiligenknochen unterbunden werden sollte.«
    Uberto würdigte ihn keiner Antwort. »Wir suchen einen schändlichen Mörder, der seine Wohnung in Brand gesetzt hat und dann über die Dächer geflohen ist. Möglicherweise hat er die Leiche des Mannes, den er getötet hat, mit sich genommen.«
    »Und den sucht Ihr in meinem Haus?«
    »Nachdem die Nachbarn den Brand gelöscht hatten, haben sie uns erzählt, es handele sich bei dem Mörder um einen Eurer Studenten. Eure Medizinschule ist nur eine Straße von dort entfernt, es wäre also logisch, dass er bei Euch Unterschlupf suchte.«
    »Aber es ist nicht logisch anzunehmen, dass ich einem Mörder Zuflucht gewährt hätte«, zischte Mondino durch zusammengebissene Zähne. »Hier ist niemand.«
    Jetzt war es heraus. Er hatte gelogen. Als er die Tür geöffnet hatte, war er noch nicht sicher gewesen, ob er dieses Risiko wirklich eingehen wollte, obwohl er es Gerardo versprochen hatte und obwohl er sich so sehr für diese Leiche mit dem eisernen Herzen interessierte. Doch der Hochmut des Inquisitors und die instinktive Abneigung, die er ihm einflößte, hatten ihr Übriges getan, und nun konnte Mondino nicht mehr zurück, selbst wenn er es gewollt hätte: Diese Lüge war unverzeihlich. Ab jetzt bedeutete Gerardo zu retten, sich selbst zu retten.
    »Dürfen wir das überprüfen?«
    »Nein. Mein Wort muss Euch genügen.«

    Uberto da Rimini gab den Häschern einen Wink, woraufhin sie Mondino an den Armen packten. Er versuchte,
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