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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman
Autoren: Alfredo Colitto
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unentwegte Quietschen der Brunnenrollen mischte sich in ihr Geschrei.
    Mondino blieb nicht stehen, um zu helfen, und vernachlässigte damit gleich zweifach seine Pflicht - einmal als Bürger der Stadt und dann als Nachbar und Bewohner des Viertels. Doch er hatte in dieser Nacht anderes vor. Die Männer, die er erwartete, mussten sich rasch und ungesehen ihrer Last entledigen. Wahrscheinlich hatten sie sich in einem Hauseingang verborgen, aber dort konnten sie nicht lange bleiben, bei all dem Volk auf der Gasse. Er legte hastig die kurze Wegstrecke zurück, die ihn von der Medizinschule trennte, wobei er sich im Schatten der Bogengänge hielt, um nicht erkannt zu werden. Niemand aus seinem Bekanntenkreis hätte es riskiert, nachts ohne Begleitung das Haus zu verlassen. Aber selbst dann hätte er sich in der Straßenmitte gehalten. Ganz gewiss wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, durch die abgrundtiefen Schatten der Bogengänge
zu laufen. Mondino war groß und kräftiger, als es seine magere Gestalt vermuten ließ, doch Körperkraft zählte wenig gegen zwei oder drei mit Dolchen bewaffnete Schurken. Wie so oft, wenn er an die Gefahren dachte, die er für seine Liebe zur Wissenschaft eingehen musste, stieg Wut in ihm auf, und er ballte die Fäuste.
    Während auf der Straße eine ganze Familie vorbeihastete, die mit ihren Eimern löschen helfen wollte, blieb er reglos hinter einer Säule stehen. Der Ehemann lief an ihm vorbei, ohne sich nach ihm umzudrehen, ebenso die drei Söhne, die barfuß durch den tiefen Schlamm stapften. Die Ehefrau, braunhaarig und aufreizend, schien seine Gegenwart jedoch zu spüren - sie wandte sich um und starrte in die Dunkelheit. Als sie ihn bemerkte, öffnete sie den Mund, um zu schreien. Mondino tat das einzig Mögliche: Er trat aus der Dunkelheit in den Halbschatten und legte einen Finger auf den Mund. Seine breite Stirn, der hochaufgeschossene, schlanke Körper, die grünen Augen und die kastanienbraunen gewellten Haare, die er nicht zu lang und nicht zu kurz trug, wirkten meist vertrauenerweckend auf das andere Geschlecht. Und er hoffte, dass es auch dieses Mal funktionieren würde.
    Eine kleine, fette Alte - wahrscheinlich ihre Mutter oder Schwiegermutter -, deren runder Kopf in eine graue Haube gehüllt war, eilte an der Braunhaarigen vorbei und packte sie am Arm. Dabei zischte sie so etwas wie »Du liederliche Dirne« und zerrte sie weiter.
    Mondino legte noch einen halben Häuserblock zurück, untersuchte forschend jeden Schatten und zog, als er vor der Schule stand, einen großen Schlüssel unter seinem Gewand hervor. Er steckte ihn ins Schloss, trat ein und zog die Tür hinter sich zu.
    Im Dunklen hantierte er mit Zünder und Feuerstein, zündete schließlich die Kerze an, die immer auf einem Brett neben
der Tür lag. Dann ging er durch die leeren Bankreihen und hielt die Flamme an die Dochte der Öllampen an den vier Ecken des Seziertischs. Für das, was er vorhatte, musste er alles genau erkennen können. Er holte eine Säge aus dem Trog und zwei Chirurgenmesser, ein langes und ein kurzes, und begann, die Klinge des längeren zu wetzen, während er sich bemühte, nicht auf die Schreie und die Geräusche des Brandes zu achten. Mondino versuchte, sich auf das Schaben des Messers über den gut gefetteten Lederriemen zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Er hoffte nur, dass es keine Toten oder Verletzten gab.
    Plötzlich ertönte ein erregtes Klopfen an der Tür, drei- oder viermal hintereinander. Mondino seufzte erleichtert, legte das Messer weg und ging hin, um zu öffnen.
    Als er jedoch seinen Schüler Francesco Salimbene vor sich sah, der vollkommen verstört wirkte, blieb Mondino der Mund vor Überraschung weit offen stehen. Salimbenes Kopf war unbedeckt, die langen schwarzen Haare schmutzig, das Gesicht voller Schweißperlen, und in seinen blauen Augen leuchtete der Wahnsinn. Selbst im schwachen Schein der Öllampen sah man die Blutflecken auf seinem knielangen Gewand und den schwarzen besohlten Beinlingen. Mondino richtete den Blick auf den Mann, den Francesco um die Taille gepackt hielt, und bemerkte, dass es sich um einen Toten handelte. Bevor er irgendeine Reaktion zeigen konnte, stieß ihn der junge Mann jedoch bereits zurück und verschaffte sich mit Gewalt Zutritt ins Innere der Schule. Sobald er eingetreten war, schlug er die Tür mit der freien Hand hinter sich zu.
    »Ich bitte Euch, Magister, schreit nicht«, sagte er, während er die Leiche vorsichtig auf dem
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