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Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
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von der anderen Seite in die Stadt einfuhr.
    »Ist das wirklich schneller?«, fragte Henry.
    »Nö«, meinte Frank. »Macht nur mehr Spaß. Ist doch unnötig, mit einem Wagen wie diesem über die Hauptstraße zu brettern - es sei denn, wir wollen zum Friseur oder irgendetwas noch Näherem.«
     
    Die beiden starteten mit einem Eis an der Tankstelle. Dann drückten sie ihre Nasen an das Fenster des geschlossenen Antiquitätenladens und entdeckten dabei in der staubigen Dunkelheit eine Menge Räder. Nach dem Eis bekam Frank Hunger, darum fuhr er mit Henry zu einem Laden, der Lenny’s hieß und von einem Typen namens Kyle geführt wurde. Dort aßen sie platte Cheeseburger
und dicke Fritten. Sie schafften es tatsächlich, in dieser Stadt, die noch kleiner war, als Henry sie sich vorgestellt hatte, den gesamten Nachmittag zu vertrödeln, indem sie von einem Ort zum anderen zogen, aus dem einen oder anderen Grund, oder auch ganz ohne Grund. Bis sie schließlich zum Stadtpark kamen, wo ältere Leute unter einem maroden Pavillon einen Flohmarkt veranstalteten.
    Während Henry noch aus dem Truck herauskletterte, wurde er schon von einer alten Dame in einer roten Weste bestürmt, unbedingt etwas zu kaufen, denn der gesamte Erlös würde dem Feuerwerk zugutekommen, das am 4. Juli auf dem Footballplatz abgebrannt werden sollte.
    Henry hatte überhaupt kein Geld und der Flohmarkt interessierte ihn auch nicht besonders. Er setzte sich auf den Boden und lehnte den Rücken an einen Pfosten.
    »Hey, Henry!«, schrie Frank über drei Reihen Tische hinweg. »Hast du einen Handschuh?«
    »Einen Handschuh?« Henry blinzelte. »Was meinst du damit?«
    »Einen Baseballhandschuh«, antwortete Frank. »Hast du einen? Ach, vergiss es, ist ein linker.«
    Henry setzte sich auf. »Ich bin Linkshänder«, sagte er. »Aber ich glaube, ich will ihn nicht. Ich mag Baseball
nicht so richtig.« So drückt man sich aus, wenn man eigentlich meint: »Ich kann es nicht«.
    »Ach, komm schon rüber und probier ihn an. Ein Junge braucht doch einen Handschuh!«
    Henry hatte keine Lust, ihn anzuprobieren. Wenn er einen Handschuh hätte, würde sicher jemand Fänger spielen wollen; und dann hätte er werfen müssen. Und bevor es dazu kam, wollte er erst üben. Er stand aber trotzdem auf und schob sich zwischen den Tischen hindurch zu seinem Onkel. Das Leder war dunkel und alt. Haarfeine Risse liefen über die dicken Finger. Aber die Handfläche schimmerte sanft. Henry schob seine Hand hinein. Der Handschuh passte gut.
    »Wenn wir nach Hause kommen, musst du ihn einfetten.« Frank packte Henrys behandschuhte Hand und hob sie vor sein Gesicht. »Riech mal das Leder!«, sagte er. »Spezialbehandelt mit Dreck, Schweiß und zehntausend Catches - zehntausend Fängen. Ein alter Handschuh ist das Beste überhaupt. Geschichte kann man nicht neu kaufen.«
     
    Als sie den Flohmarkt verließen, verstaute Frank eine bauchige Lampe und ein unvollständiges mehrbändiges Lexikon auf der Ladefläche des Trucks. Und Henry war nicht nur der stolze Besitzer eines neuen Baseballhandschuhs, sondern auch eines Messers. Es war ein Klappmesser,
das sich immer wieder zusammenklappte, und es fühlte sich fremd an in seiner Hand. Seine Eltern hatten ihm nie verboten, ein eigenes Messer zu besitzen, vermutlich weil sie nie damit gerechnet hatten, dass er mal eines in die Finger bekommen könnte. Henry hielt die Klinge geöffnet und fuhr mit dem Finger über die Schneide.
    »Ziemlich stumpf im Moment«, meinte Frank, der starr auf den Feldweg blickte. »Aber ich kann es dir schleifen. Dotty hat die schärfsten Messer, die man sich vorstellen kann. Kann stumpfe Messer nicht ausstehen. Jeder, der ein bisschen Grips im Kopf hat, hält seine Messer scharf.«
    »Schneidet sie sich denn nicht?« »Ich verrate dir ein kleines Geheimnis, Henry, ein Geheimnis, das eigentlich keines ist. Beim Schneiden verletzt man sich nur, wenn man ein stumpfes Messer hat.« Frank lehnte sich herüber und versetzte Henry einen Klaps aufs Knie. »Mit einem scharfen Messer rutscht man nicht ab und schneidet sich nicht. Und falls es doch mal passiert, wird der Schnitt glatter und heilt besser. Scharfe Messer sind einfach sicherer. Tatsache. Ich möchte dir also empfehlen, nicht mit irgendwelchen Schnitzereien anzufangen, bis ich mein Schleifwerkzeug rausgeholt und die Klinge geschliffen habe.«
    »Ist gut, Onkel Frank.« Henry ließ die Klinge los und
sie rutschte sofort zurück in den Griff. »Wieso bleibt es
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