Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der 100 Pforten

Das Geheimnis der 100 Pforten

Titel: Das Geheimnis der 100 Pforten
Autoren: N D Wilson Dorothee Haentjes
Vom Netzwerk:
nicht offen?«
    Frank trommelte mit seinen Fingern auf das Lenkrad. »Na ja, weil innen drin irgendwas kaputt ist. Ich habe viele solcher Messer gehabt. Eigentlich ist es auch egal, solange es nicht in deiner Tasche aufspringt. Ich habe noch immer eine Narbe, weil mir so etwas mal passiert ist. Hatte vergessen, dass ich es dabeihatte, und hab mich so richtig saftig geschnitten. Wenn es offen ist, musst du einfach deinen Daumen seitlich an die Klinge drücken, dann ist alles okay. Außerdem hast du das Messer dann viel besser im Griff.«
    »Mach ich«, sagte Henry. Er schob das Messer aber nicht zurück in seine Tasche.
    Onkel Frank fuhr den Wagen auf ein kahles Stück Erde, das zu beiden Seiten eines Grabens lag und dann in ein Feld überging.
    »Da sind wir, Henry. Steppenläufer sind wie Menschen. Sie siedeln sich gern dort an, wo der Wind nicht hinkommt.«
    »Wie bitte?«, fragte Henry.
    Frank stieg schon aus dem Wagen.
    »Und so ist es nicht nur mit Menschen und Steppenläufern«, fuhr Frank fort. »So ist es mit allem.« Er kletterte in den Graben hinab. Dort unten lief ein Wasserrinnsal in eine Röhre hinein. Dicht ineinander verwoben
und dreckig hing das Unkraut an der Rohröffnung und raschelte Frank bei seinen Bewegungen um die Beine. Er fasste das verfilzte Kraut, zog es heraus und warf eine ordentliche Handvoll auf die Grabenböschung. Aus dem unteren Ende des Haufens tropfte braunes Wasser heraus.
    »Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie sich Staubflocken auf dem Boden zusammenfinden?« Frank schob die restlichen Steppenläufer mit dem Fuß zusammen. »Eine Kuh frisst ein Stückchen von einem Grashalm und scheidet ihn nach einer Weile wieder aus. Dann trocknet er in der Sonne und wird zertreten. Dann kommt ein Windstoß und zusammen mit vielen anderen winzigen Teilchen von irgendetwas Unbedeutendem wird er durch das Fenster ins Haus geweht und landet auf deinem Fußboden.«
    Henry sah zu, wie Frank aus dem Graben kletterte und die Steppenläufer auf die Ladefläche warf.
    »Dann«, fuhr Frank fort und wischte sich die Hände ab, »trifft dieses winzige Staubteilchen ein anderes winziges Staubteilchen, das dieses Mal allerdings von deinem Pullover stammt, der aus der Wolle eines neuseeländischen Schafes gemacht ist. Die beiden Teilchen klammern sich an ein Haar von dir und noch an ein anderes Haar, das sich in der Sitznische eines Restaurants an dein Hemd geheftet hat. Und dann werden sie herumgewirbelt,
bis sie zusammen unter dein Bett rollen und sich in einer Ecke verstecken.«
    Frank versuchte, das Unkraut mit einem Seil zusammenzubinden. »Mit den Menschen ist es genauso. Wenn sie irgendwie den Halt verlieren, sich verlaufen oder sozusagen verloren gehen, werden sie herumgewirbelt, bis sie irgendwo einen Unterschlupf finden oder ein Loch oder eine Röhre.«
    Er kappte das Ende des Seils und stieg zurück in den Wagen. Henry kletterte ebenfalls wieder hinein und auf den Beifahrersitz.
    »In Städten gibt es solche Löcher«, sagte er, »in Häusern - eigentlich überall. Löcher, in denen verirrte Dinge zur Ruhe kommen.«
    »Und wie sehen diese Löcher genau aus?«, fragte Henry.
    Frank lachte und warf den Truck an. »Wie Bauchnabel zum Beispiel. Oder wie die Gegend hier. Und auch Cleveland. Unser Städtchen Henry ist ja ziemlich überschaubar, darum kommen die Leute hier nicht so leicht vom Kurs ab. Wenn sie sich aber herauswagen, werden sie gepackt und herumgewirbelt, bis sie schließlich irgendwo ganz anders wieder landen.«
    Henry sah zu, wie Onkel Frank den Gang einlegte.
    »Ich bin auch mal verloren gegangen«, sagte Frank mit einem kurzen Blick auf Henry. »Aber jetzt bin ich
wieder da. Ich bin unter dem Bett. Ich sitze im selben Rohr wie du. Allerdings glaube ich, dass es dich noch eine Weile herumwirbeln wird.«
    Trotz des Seils, das Frank über der Ladefläche befestigt hatte, fielen während der Rückfahrt alle paar hundert Meter Büschel und Strünke der Steppenläufer herunter.
    »Da sieht man mal, wie reich ich bin«, sagte Frank und deutete auf einen besonders großen Haufen, der hinter ihnen auf der Straße lag. »Tausende von Dollar fliegen von meiner Ladefläche und ich fahre trotzdem nicht einen Deut langsamer. Wenn ich schlau gewesen wäre, hätte ich ein Netz mitgebracht. Bin gespannt, ob ich alles verloren habe, bis wir wieder zu Hause sind.«
    Er gab Gas. Eine Fahne aus Staub, aufspritzendem Kies und hier und da ein Büschel Unkraut beschrieb ihren Weg.
    Als sie ankamen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher