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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen
Autoren: Gillian Philip
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Wir würden einfach im Gras liegen, sie würde Geschichten erzählen und ich ihr zuhören. Jinn liebte den Sommer. Im Sommer passiert nichts Schlimmes, sagte sie.
    Damit hatte sie nicht ganz unrecht. Lara starb im Winter, weil es dunkel war. Und in diesem letzten Winter sprang Alex Jerrold von einem Dach und brach sich zwei Wirbel, einen Oberschenkelknochen und beide Hüften. Aber daran waren nicht die Lichtverhältnisse schuld. Alle konnten gut sehen.
    Ich wollte jetzt unbedingt zum Strand, doch Jinn alberte eine Weile lang herum, weigerte sich, aufzustehen und machte sich ganz schwer, als ich versuchte, sie hochzuziehen. Als mein Lachanfall endlich vorüber war, schaffte ich es, sie hochzuhieven, und wir schlenderten zum Fluss, Jinn mit der Cidreflasche in der Hand, die sie hin und her schwang. Bei Breakness war der Fluss breit und flach und floss in einer ausgedehnten Schleife, die den Strand von der Stadt trennte. Die hübsche Hauptstraße wurde auf der einen Seite von Geschäften, auf der anderen vom Dot Cumming Park gesäumt. In den VisitScotland-Broschüren sah es so aus, als fände man sich dann direkt auf dem Strand wieder, doch im wirklichen Leben kamen zuerst die große Schleife und die Flussmündung. Erst jenseits des Flusses befanden sich die Halbinsel mit Dünen und der flache weiße Strand und das Meer.
    Ja, wir mussten arbeiten für unseren Strandsommer in Breakness. Und das mussten auch die Touristen, was sicherlich der Grund dafür war, dass sie nicht mehr kamen. Das und Billigflüge nach St. Lucia natürlich. In Breakness fand man einen Parkplatz in der vollgestopften High Street, packte seinen Grill und seinen Windschutz und seinen Swingball aus und torkelte dann entweder zu der wackligen Brücke oder zog die Schuhe aus und watete hinüber. Wenn man nicht von hier kam, war das Leben im Grunde genommen zu kurz.
    Zu dieser Tageszeit reichte das Wasser aber nur bis an die Waden, sodass Jinn und ich hindurchwateten. Da die Flut landeinwärts drängte, war die Strömung zum Meer hin nicht allzu stark. Doch die beiden Strömungen kabbelten sich und die Oberfläche war aufgewühlt von heftigen kleinen Wellen. Meine Füße versanken im Sand. Er war so weich, dass man fast das Gefühl hatte, dahinzugleiten; keine harten Steine, die Halt boten. Und verglichen mit dem kalten Griff des Wassers an meinen Knöcheln, fühlte sich der Sand zwischen meinen Zehen warm an. Ich liebte dieses Gefühl.
    Â»Sieh dich vor dem Treibsand vor«, sagte Jinn.
    Okay, ich liebte dieses Gefühl bis zu einem gewissen Punkt. Ich schubste sie, verärgert, dass sie den Zauber gebrochen hatte, und sie stolperte und kicherte.
    Â»Oh, Rubes, hier gibt es keinen Treibsand. Das weißt du doch genau.«
    Â»Ich weiß«, log ich. Dennoch hastete ich durch den Fluss und aus ihm hinaus und bespritzte meine hochgekrempelten Jeans. Was wusste sie schon? Treibsand gab es vor allem in Flussmündungen. Er konnte plötzlich auftreten, da war ich mir ziemlich sicher.
    Keine von uns war in der Stimmung, weit zu gehen, sodass wir uns, sobald wir durch den Sand hinaufgekraxelt waren, hinsetzten, um übers Meer zu schauen und es uns in der Wanderdüne bequem zu machen. Jinn nahm einen großen durstigen Schluck Cidre, bevor sie mir die Flasche reichte. Ich hielt sie mir an die Lippen, doch das Zeugs war warm, und ich war noch nie scharf auf den Geschmack gewesen. Zufrieden nahm Jinn die Flasche wieder entgegen.
    Â»Ich sollte dich sowieso nicht dazu ermutigen. Du bist noch minderjährig.«
    Eis und Cidre hatten mich schläfrig gemacht. Das Sonnenlicht war eine unbarmherzige weiße Glut, das Glitzern und Rauschen der Wellen hypnotisierend. Im Wasser waren Schwimmer und Bodyboarder, am Ufer Kinder, ausgezehrt von der blendenden Helle. Unter einem gestreiften Windschutz hörte jemand Radio. Herrgott noch mal, wozu brauchten die bei diesem Wetter einen Windschutz? Ein Drachen hing schlaff am Ende der Schnur und weigerte sich, bei dieser Windstille höher aufzusteigen. Er schwebte eine Weile in der Luft und machte dann einen Sturzflug zu Boden.
    Ich wünschte, Jinn müsste am Nachmittag nicht zurück zur Arbeit. Ich wünschte, sie ginge noch zur Schule und wir könnten die ganzen Sommerferien zusammen verbringen, so wie früher. Dumm gelaufen, keine Frage, aber am meisten ärgerte ich mich über das schlechte Timing. Wenn Lara sich
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