Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
einen anderen Zeitpunkt zum Sterben ausgesucht hätte, hätte Jinn vielleicht zur Uni gehen können, und dann hätte sie auch Ferien, zur selben Zeit wie ich, jedenfalls ungefähr.
    Â»Nee«, sagte Jinn immer. »Ich würde in den Ferien arbeiten müssen. Das tun Studenten nämlich.«
    Womit sie recht hatte. Und sowieso fühlte ich mich irgendwie schlecht, wenn ich daran dachte, welche möglichen positiven Folgen Laras dämlicher Tod hatte.
    Ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass ich sie vermisste. Sie war exzentrisch und unmöglich und absolut die unfähigste Mutter, die ich mir vorstellen konnte, aber sie war da , es machte Spaß, mit ihr zusammen zu sein, und sie machte eindeutig den besten heißen Kakao auf der Welt: so einen mit Marshmallows und einer so dicken Schicht Sahne, dass man kaum an den Kakao darunter rankam. Und die Sahne kommt ganz kalt aus dem Kühlschrank, sodass es fast ein Schock ist, wie heiß der Kakao darunter ist. Und das ist wirklich der absolut beste heiße Kakao, auch wenn sie nie gewollt hätte, dass ich das sage, denn Lara nahm Leute, die Wörter wie »absolut« und »wirklich« überbeanspruchten, gern auf die Schippe. Ich überbeanspruchte überhaupt keine Wörter, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das so toll fand.
    Hey, sie konnte nicht beides haben.
    Eigentlich ist der Name meiner Mutter Lorraine. Der Name gefiel ihr nicht (»Mum« aber auch nicht), also bestand sie darauf, Lara genannt zu werden (zu Ehren von Lara Croft, nicht dieser russischen Braut in Doktor Schiwago). Wenn sie sich mit jemandem gestritten hatte und der Betroffene sie aufziehen wollte, nannte er sie wieder Lorraine. Das machte sie wahnsinnig, also schnitt sie den Übeltäter, wenn sie ihm auf der Straße begegnete, und der Streit wuchs sich zu einer kleinen Fehde aus, bis bei beiden der Ärger verraucht war und So-und-so sie wieder Lara nannte.
    Mir gefiel der neue Name meiner Mutter, und ich war ein bisschen eifersüchtig, dass sie ihn nicht für mich aufgehoben hatte. Stattdessen hatte sie mich nach einem ihrer Lieblings-Country-und-Western-Songs benannt. Es hätte schlimmer kommen können: Wenn ich ein Junge gewesen wäre, hätte ich Elvis geheißen, und ich bin mir nicht sicher, ob Elvis Carmichael eine so gute Kombi wäre.
    Jinn hieß in Wirklichkeit Jacintha und sie hasste den Namen. Jacintha war eine Figur in einer von Laras Lieblingssoaps: irgend so eine märtyrerhafte Ärztin, die sich hoffnungslos in einen Arzt verknallt hatte. Jacintha der Fußabtreter verzehrte sich noch immer vor Sehnsucht nach diesem Mann, als ich mit ungefähr sieben anfing, Medics zu gucken: So lange hatten die Drehbuchautoren die Sache in die Länge gezogen. Vor ein paar Jahren fiel Jacintha der Fußabtreter schließlich unter einen Bus und starb in den Armen des am Boden zerstörten dummen Typen, was wirklich eine Erleichterung war. Als sie elf war, schwor Jinn mir beim Licht einer LED -Mini-Taschenlampe, dass sie nie Jacinthas Beispiel folgen würde und ab sofort ihren Namen änderte. Wir besiegelten den Pakt mit Blut von unseren Daumen. Lara nahm uns diesen Akt der Rebellion nicht übel, denn selbst sie hatte inzwischen genug von Jacintha dem Fußabtreter. Sie fand es nicht einmal schlimm, dass wir blutige Daumenabdrücke auf den Bettlaken hinterlassen hatten, aber Haushaltsfragen kümmerten Lara sowieso nie.
    Lorraine wurde also Lara und Jacintha wurde Jinn. Ich war die Einzige in der Familie, die ihren Namen nicht veränderte. Ruby Intacta.
    Ich hatte die Augen geschlossen, um mich vor dem grellen Flirren des Meeres zu schützen, aber ich schlief nicht, sodass ich es sofort merkte, als sich ein Schatten vor die Sonne schob. Mit dem Flimmern vor meinen Augenlidern verschwand auch die Wärme des Tages und mich überlief ein Schauer, wie ein Flüstern. Ich wollte eigentlich nicht die Augen öffnen, war aber zu neugierig, um es nicht zu tun. Ich rieb mir die Gänsehaut von den Armen, blinzelte und setzte mich auf.
    Ich war diejenige, die sich in seinem Schatten befand, aber er sah nicht mich an. Es war meine Luft, aus der er die Wärme gesaugt hatte, nicht Jinns, aber es spielte ohnehin keine Rolle, ob ich da war oder nicht. Jinn, die noch im Sonnenlicht lag, hielt schützend die Hand vor die Augen und lächelte ihn an.
    Als meine Augen sich wieder an die Helligkeit gewöhnt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher