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Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit

Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit

Titel: Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
Autoren: Michael H. Buchholz
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Prolog
     
    Thereme Eisenstein hatte noch genau zweiundvierzig Sekunden zu leben. Die erste davon verbrachte sie damit, die nachmittägliche Gluthitze über Genzez zu verfluchen.
    Im Freien und ohne Schirmreduktion herrschten 40 Grad im Schatten. Ephelegon hing wie das flammende Auge eines unbarmherzigen Sonnengottes über der 16-Millionen-Stadt. Allein der schwüle Wind, der vom Meer in die Bucht herwehte, machte das Atmen gerade noch erträglich. Die Kalfaktorin für Siedlungsexpansion und Verwaltung im Zentralgebiet der Union bereute bereits ihren Entschluss, die ausladende Terrasse, die zu ihren Arbeitsräumen im OPRAL gehörte, betreten zu haben.
    So viel zum Thema frische Luft schnappen , dachte sie. Die Sitzung am Vormittag war erschöpfend gewesen – erschöpfend lang und erschöpfend ineffektiv. Ressourcen, die sie dringend für ihr Siedlungsprogramm benötigte, wurden insgeheim umgeleitet und landeten im Verfügungsbereich des Kalfaktats für Wissenschaften. Dort hockten lauter Unschuldslämmer, die behaupteten, sie seien Wabyren und wüssten von nichts. Scheinheilige Bande!
    Sie forderte den Servoteil der Zimmerpositronik auf, einen Reduktorschirm über die Terrasse zu legen. Das polarisierende Feld stabilisierte sich binnen zweier Wimpernschläge.
    Thereme war eine große, attraktive Frau in den Fünfzigern, die viel Wert auf ihre äußere Erscheinung legte und diesen Vorteil auch gezielt einzusetzen wusste. Sie gab sich offiziell gerne sanft, blieb hinter den Kulissen aber hart wie Stein. Wie ein eiserner Stein, witzelten die Angestellten ihres Kalfaktats hinter vorgehaltener Hand. Ihre Härte war mit ein Grund, weshalb sie die jüngste Kalfaktorin der derzeitigen Legislaturperiode war. Ein anderer war ihre völlige Skrupellosigkeit, wenn es darum ging, gewisse Details über gewisse Leute zu sammeln und ihr Wissen – ihr Schweigen – in die politische Waagschale zu werfen.
    Das Reduktorfeld überspannte die Terrasse; die Hitze blieb, aber das Stechen Ephelegons auf ihrer makellosen Haut ließ unter dem modifizierten Prallschirm sofort nach. Alle Blendeffekte wurden weggefiltert, ebenso alle schädlichen Strahlungsfrequenzen. Sie öffnete den Kragen ihres Kleides und desaktivierte die Magnetstreifen darunter. In dem tiefen Ausschnitt zeigten sich wie Chegerra-Birnen geformte Brüste. Sie überlegte blitzartig, wer es an diesem Abend wohl wert sein würde, sie zu sehen. Ruord, dieser ausdauernde Hengst? Oder Mattroc, dem mehr verrückte Ideen einfielen und der sie umzusetzen verstand, als ihrem guten Ruf gut tat? Sie entschied, dass es viel zu heiß sei, um über Sex nachzudenken. Obwohl …
    »Servo! Luftaustausch! Aber schnell!«, verlangte sie matt und leckte sich die salzigen Lippen. »Bitte 24 Grad, verminderte Feuchtigkeit, mit Meeresaromen und einer Prise Amaryllis.«
    Zu diesem Zeitpunkt waren schon dreizehn der zweiundvierzig Sekunden verstrichen. Luftumwälzer sprangen an.
    Die Arbeitsräume und die begrünte Terrasse lagen am oberen Rand der Muschelschale des Ambar Popoludi, eines der sechs gleichartigen Trichtergebäude, die die schmale, zentrale Kegelpyramide umgaben und die mit ihr zusammen das OPRAL, den Sitz der Zentralgalaktischen Regierung bildeten.
    Ihr offizieller Kalfaktorischer Stuhl stand ebenfalls in der Pyramide, oberhalb der Zal und inmitten des überladenen Prunks der repräsentativen Kalfaktorresidenzen, die sich in den rudynischen Himmel reckten. Welcher mickrige Mann hatte sich dieses kilometerhohe Phallussymbol nur ausgedacht? Sie hielt sich nur dort auf, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Oder wenn Mattroc …
    Thereme blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Sie blickte von ihrer erhöhten Position aus versonnen an der Kegelwandung vorbei bis weit über die Dwadunaj hinweg, die an dieser Stelle ihres Deltas fast fünf Kilometer breit war; hinter schmalen Inselchen, zwischen denen weiße Boote verkehrten, konnte sie fern im Dunst gerade noch die baumartige Struktur des Urdhana-Großklinikums erkennen. Ein gewaltiger Stamm, mit nach allen Seiten spreizenden Ästen und Zweigen aus Plastbeton und Glassit, jedes der vielen tausend Blätter daran eine Zimmerflucht. Der Park, der den Stamm des Klinikums umgab, wirkte aus dieser Entfernung wie ein blaugrüner Schatten.
    Noch ein Stamm , dachte sie belustigt, der sich in den Himmel reckt.
    Thereme Eisenstein drehte sich von der sandfarbenen Balustrade der Terrasse weg. Geschmeidig drückte sie ihr Kreuz durch und wölbte
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