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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium
Autoren: Viktor Pelewin
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Hamlet nicht lange verlassen muss. Und wenn er dann noch so hübsch aussieht und so gut riecht wie dieser ...
    Das Kuvert war resedafarben und hatte eine leichte, schlanke, unergründliche Duftnote - kein ganzes Parfüm, eher nur eine Komponente, eine geheime Ingredienz, die separat keinem Menschen unter die Nase kommt. Odem des Verborgenen, aus den Tiefen der Macht, von ihren Hebeln. Und das durfte man wörtlich nehmen, denn der Brief kam von Ischtar.
    Ich riss das Papier auf, das weiche Futter mit. Drinnen lag ein schwarzsamtenes Säckchen, mit einer Kordel verschlossen. Ein zweimal gefaltetes Blatt Papier mit gedrucktem Text lag bei. Was in dem Säckchen war, konnte ich mir denken, darum las ich zuerst den Brief.
    Schmäzzschmäzz, Höllenstifft.
    Lange nicht gesehen, was? Ich hab nach gerechnet, drei Monate kamen raus. Verzeih, dass ich nicht schon früher ein Minütchen fand, mich zu melden, gab einfach viel zu tun. Bestimmt fragst du dich, wie mein Leben jetzt verläuft und wie es mir dabei ergeht. Man kann es in Worten nicht wiedergeben, weißt du. Es ist, als würde man zur Galionsfigur eines riesigen Schiffes. Du kannst jeden einzelnen Matrosen spüren und pflügst zugleich mit deinem Leib den Ozean der  Zeit. Stell dir vor, du wärest Kapitän eines solchen Schiffes und zugleich die Figur an seinem Kiel. Du hast weder Arme noch Beine - aber zu entscheiden, wie die Segel gesetzt werden. Der Wind, der sie bläht, das sind die Menschenleben. Derweil wird im Schiffsraum unter Deck eine verschwiegene Arbeit verrichtet, dank derer die menschliche Existenz ihren Sinn bekommt und zu Bablos wird.
    All dies hat freilich auch seine unangenehmen Seiten. Die unangenehmste ist der Gedanke an das, was zuletzt kommt. Du weißt ja, wie es der alten Dame erging, die unsere vorige Primadonna war. Das ist natürlich furchtbar, sie tut mir sehr leid. Und dabei weiß ich, auch mir wird dereinst einmal das gelbe Seidentuch aus den Händen meiner Besucher entgegenleuchten ...So ist das Leben nun mal, es lässt sich nicht ändern. Ich kann jetzt auch verstehen, warum die Borissowna das letzte halbe Jahr so viel getrunken hat. Man ist grausam mit ihr umgesprungen. Als nebenan die neue Kammer in den Fels getrieben wurde, wollte sie immer wissen, was das Gehämmere soll, aber alle taten so, als hörten sie es nicht, und behaupteten, sie würde sich irren. Als es nicht mehr zu leugnen ging, log man ihr vor, der Fahrstuhl würde saniert. Und am Ende versuchte man ihr einzureden, ein neuer Tunnel für den Regierungsstrang der Metro würde gebaut, um eine Direktverbindung von der Rubljowka zum Kreml zu schaffen. Sie wusste es besser, konnte aber nichts dagegen tun. Schrecklich, nicht wahr?
    Ich möchte von Anfang an sich erstellen, dass keiner später einmal so eine Nummer vor mir abzuziehen wagt. Dazu brauche ich Freunde, auf die ich mich verlassen kann. Ich trage mich mit dem Gedanken, hierfür einen speziellen Rang einzuführen: Freund Ischtars. Und die Stellung in unserer Hierarchie wird strikt von diesem Titel abhängen. Du wirst Ischtars erster Freund am Platz sein, denn keiner steht mir näher. Ich werde alles für dich tun. Möchtest du ein Hamlet, wie Enlil es hat? Lässt sich alles machen jetzt.
    Zu Mitra. Ich weiß, du hast alles gesehen. Wahrscheinlich hast du dir viele trübe Gedanken gemacht bezüglich dessen, was sich hier abgespielt hat. Aber du musst wissen: So geschieht es jedes Mal, wenn die irdische Identität der Göttin ausgetauscht wird. Um den neuen Kopf mit dem zentralen Geist in der Wirbelsäule zu verbinden, braucht es eine Nervenbrücke, eine zusätzliche Zunge, die als Bindeglied fungiert. Für sie ist das selbstverständlich nicht tödlich - sie kehrt nur zu ihrem Ursprung zurück. Aber Mitra musste dran glauben, und das ist traurig. Bis zur letzten Sekunde hat er nichts geahnt.
    Enlil und Marduk hatten übrigens angenommen, es würde dich treffen. Nicht, dass sie dich nun direkt dafür gemästet hätten wie einen Hammel, aber sie waren sich ziemlich sicher. Von daher haben sie auch so wenig in deine Bildung investiert. Es wird dir aufgefallen sein, dass außer mir kaum einer sich dafür interessiert, was aus dir wird, und dich ordentlich in die Gesellschaft einführt. Bestimmt hast du dich in unserer Welt als Außenseiter gefühlt. Jetzt weißt du, wie es zusammenhängt.
    Für Enlil kam das sehr überraschend. Auch für mich war die Wahl alles andere als einfach: entscheiden zu müssen, wer von euch am
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