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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium
Autoren: Viktor Pelewin
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Leben bleibt! Mit meiner Entscheidung habe ich mich gegen alle gestellt. Bedenke also: Du hast außer mir keine Freunde. Aber an meiner Seite wirst du auch keine nötig haben.
    Keine Bange, mein Knie wirst du nicht noch einmal zu spüren kriegen: Ich habe keins mehr. Dafür habe ich Bablos. Und das ist jetzt alles unser. Alles! Unser, Rama!
Was das andere angeht - da wird uns schon was einfallen. Alles Übrige, wenn wir uns sehen. Lass die Göttin bloß nicht warten! Ischtar IV.
    PS Du hattest mich darum gebeten, dich vor unserem nächsten Rendezvous an das Todesbonbon zu erinnern. Was hiermit geschehen ist... :)»
    Anstelle einer Unterschrift gab es ein rotes Faksimile, das man als verwischtes Isch lesen konnte; darunter prangte das Siegel mit der altertümlichen Darstellung eines Flügelwesens, nicht unähnlich dem Götterboten Garuda; wenn das die Große Maus sein sollte, so hatte der Künstler ihr geschmeichelt.
    Ich blickte aus dem Fenster. Es dämmerte bereits; vereinzelte Schneeflocken fielen. Große Lust verspürte ich nicht gerade, durch die kalte Nacht da draußen zu fliegen. Aber ich hatte ja gar keine Wahl ... Sie war schon nicht mehr Hera, wenn ich an sie dachte. Alles war anders.
    Ich setzte mich auf das Sofa und band das Samtsäckchen auf. In ihm steckte das erwartete Flakon, jedoch in deutlich verändertem Design: nicht mehr die kleine schwarze Variante, Fledermaus mit Totenkopfstöpsel. Das hier war aus weißem Milchglas und hatte die Formen eines weiblichen Torsos; der winzige Pfropfen ließ an einen Hals denken, dem der Kopf abhandengekommen war. Ein bisschen makaber. An das stolze Opfer gemahnend, das die Göttin darbrachte. Diese Ischtar meinte es offenbar ernst. Da stehen noch einige Änderungen mehr ins Haus!, dachte ich. Nur gut, dass ich auf der richtigen Seite der Wasserscheide gelandet war. Trotzdem, mir schwante nichts Gutes.
    Ich ließ den einen enthaltenen Tropfen auf die Zunge rinnen, nahm im Sessel Platz und wartete. Wäre nebenan jetzt wieder das düstere Verdi-Requiem erklungen, es hätte gepasst. Aber diesmal herrschte Totenstille. Der an der Wand hängende Fernseher lief ohne Ton.
    Den brauchte man allerdings auch nicht, um mitzukriegen, was gespielt wurde: das pralle, schäumende Leben. Feuerwerk unter südlichem Himmel, braun gebrannte, lachende Gesichter. Das Mikrofon wie einen Säbel schwingend, tanzte der internationale Sänger Mircea Beslan, abstruse Mischung aus Ziegenbock und Griechenkönig, in einem T-Shirt mit dem rätselhaften Aufdruck 30 cm=11 3/4in . Minutenlang gab ich mich dem Schauspiel hin. Mircea sang in Begleitung eines Orchesters, das immer dann zu spielen anfing, wenn er außer Puste war. Eine Laufzeile am unteren Bildschirmrand lieferte die Übersetzung des Textes:
Kann schon mal sein, kann schon mal sein, dass ein Mädchen seinem Jungen ein Yo-yo-yo macht, und sie ist nicht bei der Sache, denkt: Bestimmt sieht das jetzt dämlich aus ... Und wer weiß, obs ihm noch Spaß macht, er sagt ja gar nichts mehr ... Oder sie denkt: Yo-yo-yo, warum nicht mal zwischendurch aus dem Fenster sehen, romantisch glotzen nach dem Mond und so ... He, Mädchen, bleibt dran! Bedenkt, yo-yo-yo, der Mann hat grad den Kick seines Lebens! Und wenn er schweigt, dann nur, weil er den Zauber dieses Augenblicks nicht mit einem unbedachten Wort zerstören will. Yo-yo-yo, yo-yo!
    Dann pausierte Mircea Beslan wieder, und die Bläser des Orchesters legten los - an ihren puterroten Köpfen sah man, auch ohne es zu hören, wie das abging. Auch ein Requiem! dachte ich, in die Dunkelheit vor dem Fenster starrend. Bestimmt nicht schlechter als jedes andere ...
    Und vielleicht war es das ja? Was, wenn Ischtar einfach noch eine Zunge brauchte?
    Mich packte das helle Entsetzen. (Gut, dies ist heutzutage kein ungewöhnliches Gefühl, das unbedingt einer rationalen Grundlage bedurfte. Man muss sich daran gewöhnen, das ist alles.) Auf dem Korridor schlug die Uhr. Nun wurde es wirklich Zeit. Wie hatte ein Sänger doch einst gesungen, als Beslan noch fern war:
Spann an, Gott, die Pferde der Maßlosigkeit! Ich wollt zu Fuß gehn, doch ists dafür nun zu spät ...
    Mein Geist gab die Marschrichtung vor, die so unverfroren ausfiel wie gehabt: durch den Schornstein zu den Sternen. Ich ging vom Sessel auf die schwieligen schwarzen Fäuste, durchquerte mit Mühe und Not das Zimmer, warf mich in den Schlund des Kamins und gelangte wild flatternd durch den Schacht hinauf in den kalten Himmel, wo ich, betuliche
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