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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium
Autoren: Viktor Pelewin
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verstehen ...«
    Ich verstand. Darum empfand ich große Erleichterung, als Baldur ins Zimmer zurückkehrte.
    Er rückte den Tisch vor mich hin und legte das Notebook darauf ab, von dem aus etliche verschlungene Kabel auf den Korridor hinausführten. Den Bildschirm drehte er so, dass ich bequem daraufschauen konnte.
    »Kannst du gut sehen?«, fragte er überflüssigerweise und dann, die Hand hinter das Ohr legend: »wie?«, als rechnete er ernsthaft mit einer Antwort; da keine kam, fuhr er selbst fort: »Schweigen ist auch eine Antwort, hi-hi ... So. Die Order ist ausgeführt. Ich muss schon sagen, Rama, du kannst von Glück reden, immer noch gesund und munter zu sein, du hättest schon viele Male tot sein können. Bist davongekommen mit einem blauen Fleck am Arm. Gratuliere, Freundchen!«
    Ich konnte den Bildschirm gut sehen. Auf ihm flimmerte es grau. Keine aussagekräftigen Formen.
    »Mitra startet die Übertragung selbst. Viel Spaß!«
    Ich rechnete damit, dass Loki mich zum Abschied noch einmal kräftig knuffen würde, doch nichts dergleichen geschah. Die Tür fiel ins Schloss, und ich war allein.
    Lange Zeit lief über das Notebook vor mir auf dem Tisch nur das graue Geflimmer, das man vom Fernseher kennt, wenn die Feinabstimmung des Senders noch fehlt. Dann wurde es von einer waagerechten Linie zerschnitten, die sich rasch verbreiterte, bis sie den ganzen Schirm einnahm -und ich sah Mitra beziehungsweise sein Spiegelbild, denn er stand vor dem Spiegel und kämmte sich.
    »Hier sieben, hier sieben! Fünf bitte kommen!«, sagte er und lächelte. »Wie ist der Empfang?«
    Er zeigte auf die blitzende Nadel an seinem Schlips, strich mit dem Finger darüber. Es hörte sich an wie ein fernes Donnergrollen.
    »Das ist schon phantastisch, wie weit die moderne Technik fortgeschritten ist ... Und trotzdem hat der Fortschritt seine Grenzen. Ich habe mich schon immer gefragt, ob man unseren Flug wohl mit der Kamera aufnehmen kann? Heute werden wir es erfahren. Hera hat unser Date nach Heartland verlegt, ganz unten am Grund. Das Mädchen hat Stil. Du weißt, bis dort hinab gelangt man nur auf den Flügeln der Liebe. Ob dein Enthusiasmus dafür ausgereicht hätte, frage ich mich.«
    Er drehte sich vom Spiegel weg, so dass ich ihn nicht mehr sah. Stattdessen blickte ich nun in einen großen Raum mit schrägen Fenstern - schätzungsweise irgendein Loft. Möbel gab es so gut wie keine, dafür längs der Wand eine Reihe von Statuen prominenter Menschen: Mick Jagger, Schamil Bassajew, Bill Gates, Madonna. Sie sahen aus wie in schwarze Eisblöcke eingefroren, Leidensmienen in den Gesichtern. Ich wusste, dass diese Dinger in Moskau Mode waren, es musste mit den Chroniken von Narnia zu tun haben; eine Designerfirma hatte sich auf diese Innenausstattung spezialisiert, es war nicht mal besonders teuer.
    Dann sah ich Mitras Hände. Sie hielten ein Flakon in
    Form einer Fledermaus mit eingeklappten Flügeln; Mitra hob es extra vor die Kamera an seiner Brust, damit ich es besser sah. Dann entschwebte es meinem Blickfeld. Kurz darauf hörte ich Glas auf dem Boden zerschellen - Mitra hatte das Gefäß hinter sich geschmissen wie ein leeres Schnapsglas nach dem Trinkspruch.
    Ich sah einen weißen Ledersessel. Er kam näher, rutschte gegen den Rand des Bildschirms, verschwand. Vor mir war nun das Gitter des Kamins, das sich lange Zeit nicht bewegte - vermutlich, weil Mitra im Sessel still saß. Und dann kam das Bild abhanden, graue Störstreifen wanderten über den Bildschirm. Auch der Ton war weg.
    Die Sendepause zog sich hin - zwei Stunden mindestens. Ich döste zwischendurch weg. Irgendwann kam das Bild wieder, aber ohne Ton. Gut möglich, dass ich etwas verpasst hatte.
    Ein schmaler, in Fels gehauener Gang kam auf mich zu. Das war schon Heartland. Immer wenn Mitra in einen Altarraum kam, verneigte er sich vor dem Schrumpfkopf in der Nische. Dass sich das ziemte, hatte ich nicht gewusst - es hatte mir ja auch keiner gesagt.
    In einem der Räume stand plötzlich Hera neben dem Altar. Trotz der für sie ungewöhnlichen Tracht erkannte ich sie sofort: Sie trug ein langes weißes Kleid, das sie wie ein Schulkind aussehen ließ. Es stand ihr sehr gut. Wäre ich imstande gewesen, den Computer auszuschalten, ich hätte es jetzt getan. Doch die Augen zuzukneifen brachte ich nicht über mich.
    Hera kam nicht erst auf Mitra zu; sie drehte sich gleich um und verschwand in einer Seitentür, hinter der es dunkel war. Mitra folgte ihr.
    Eine Weile blieb
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