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Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Lucie Flebbe
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drehte den Hebel in die waagerechte Position, zog meine Hand wieder heraus und drückte die Tür auf.
    Bingo.

45.
    Bevor ich in das Haus des Pizza-Fans schlüpfte, vergewisserte ich mich, dass mich niemand beobachtete.
    Im nächsten Moment stand ich im Wald. Von der Decke baumelnde Pflanzenlampen tauchten fünf, sechs gigantische Grünpflanzen in mystisches Schummerlicht.
    Eine moderne, weiße Couch und ein Flachbildfernseher schienen auf den ersten Blick die einzigen Zeichen von Zivilisation in diesem Urwald zu sein. Am Fenster entdeckte ich unter den fünf-fingerigen Blättern der palmenartigen Gewächse dann doch einen aufgeräumten Schreibtisch mit Telefon und Laptop.
    Ich bückte mich unter den Zweigen hindurch. Das hier war nicht die schlampige Studentenbude eines Computerspielsüchtigen, die ich erwartet hatte. Es gab keine herumliegenden Fast-Food-Verpackungen und keine abgestandenen Energydrinks.
    Ich trat an den Schreibtisch, weil ich nicht wusste, wo ich sonst nach den verschwundenen Fotos hätte suchen sollen. Ich betrachtete den großen, blank polierten Laptop und überlegte, ob es sich um das entwendete Gerät des toten Archibald Schröder handeln könnte. Eher unwahrscheinlich. Den Apparat des Ermordeten hier offen herumliegen zu lassen, während nebenan die Kripo ein- und ausging, wäre kein Geniestreich. Trotzdem klappte ich das Gerät auf und drückte den Startknopf.
    Während der Computer anfing zu surren, zog ich die Schreibtischschubladen auf. Darin fand ich einige Rechnungen, Stifte, sechs alte Handys, USB-Sticks. Keine Fotoalben, keine Briefe oder persönliche Dinge, die darauf schließen ließen, dass Wiesinger ein Mensch mit einer Herkunft war.
    Der Computer war leistungsstark, er war bereits hochgefahren. Auf dem dunklen Bildschirm leuchtete ein einzelnes weißes Feld und forderte ein Passwort.
    Mist.
    Spontan gab ich Pizza ein.
    Falsch. Wäre auch zu einfach gewesen. Im Leben knackte ich nicht das Codewort eines Menschen, über den ich so wenig wusste wie über Lorenz Wiesinger. Womöglich spielte sich sein gesamtes Leben online ab. Damit wäre er ja heutzutage kein Einzelfall. Freunde traf man auf Facebook, seine Zeit verbrachte man zusammen mit anonymen Kameraden namens Monsterkiller oder Blödenuss in den Fantasiewelten von Computerspielen und Erinnerungsfotos schwebten in einer virtuellen Wolke auf einem Server in Klein Miesbach.
    Wiesingers gesamtes Leben konnte in dem Computer stecken, zu dem mir das Passwort den Zugang verwehrte. Was auch die sparsame Wohnungseinrichtung erklären würde: Die Wohnung war der Ort, an dem Wiesingers Körper schlief und Pizza aß, während sein Geist durchs World Wide Web streifte. Wenn er umziehen wollte, musste er nur den Rechner einstecken.
    Ich wandte mich ab und warf einen Blick in die Küche. Eine schwarze Single-Küchenzeile mit zwei Herdplatten, über denen einige Suppenkellen aus Edelstahl baumelten. Ein Messerblock, ein Tisch, ein Stuhl. Keine herumliegenden Zettel, Fotos oder Bücher. Im Kühlschrank in Plastik verpackte Fertigsandwiches.
    Wenn Wiesinger wirklich gestern Nacht seinen Nachbarn erschossen und Fotos und Computer geraubt hätte, wo hätte er die Waffe verschwinden lassen? Und wo die gestohlenen Gegenstände versteckt?
    Im Keller?
    Ich kannte den Weg ja bereits aus den baugleichen Häusern. Die schmale Treppe, die Wände aus rotem Ziegel. Lorenz Wiesingers Keller war sauber und – leer.
    Damit blieb nur noch der erste Stock. Das Schlafzimmer.
    Ich eilte die knarzenden Stufen hinauf. Die Tür zu einem ziemlich neuen Badezimmer stand offen: anthrazitfarbene Fliesen, ebenerdige Dusche, weiße Keramik. Daneben ging es ins Schlafzimmer mit Doppelbett, weißen Laken und zwei großen Pflanzen. Keine Waffe unter dem Kopfkissen.
    Und kein Schrank. Aber zumindest anziehen musste der Kerl sich doch!
    Blieb noch das zweite Zimmer im Obergeschoss. Die weiß lackierte Tür knarrte leise, als ich sie öffnete.
    Ein Ankleidezimmer. Ein großer Spiegel und zwei Regale mit würfelförmigen Fächern standen an den Wänden – das beliebte Modell einer skandinavischen Möbelfirma hörte auf den Namen ›Kurt‹. Sogar Wiesingers Art, seine Klamotten aufzubewahren, hatte etwas Provisorisches.
    Die Fächer waren gefüllt mit Wäsche – Jeans, bunte T-Shirts, Pullover mit Kapuze im ersten Regal. Das zweite enthielt merkwürdigerweise nur dunkle Sachen. Auf einer Stange zwischen den beiden Holzregalen hingen Jacken, Mäntel und Anzüge auf
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