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Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Lucie Flebbe
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ließ er mich los, ich taumelte zur Seite.
    »Los! Lauf, Plappermaul! Es geht um dein Leben!«
    Schmerz spürte ich nicht. Mein Vater hatte mich schon übler zugerichtet. Ich war noch handlungsfähig. Das Blut in den Augen allerdings behinderte die Sicht. Und der Knebel die Atmung. Ich versuchte zu spucken, den Stoff mit zitternden Fingern aus dem Mund zu zerren.
    Die Tür! Sie stand noch offen.
    Langsam! Ich tat, als würde ich stolpern. Sonst glaubte der Typ womöglich, ich könnte tatsächlich fliehen. Und erschoss mich von hinten.
    In der Tür ging ich in die Knie, kroch auf allen vieren in den Flur. Warf über die Schulter einen Blick zurück. Sah, wie mir Wiesinger mit der Waffe in der Hand langsam folgte, während er seine Hose öffnete.
    »Richtung Schlafzimmer ist genau richtig, Plappermaul.«
    Im Leben nicht.
    Zwischen Treppe und Klo brach ich zusammen. Rollte mich rasch auf den Rücken. Würgte wieder an dem Knebel.
    Wiesinger kam näher. Wie ein Raubtier auf der Jagd. Mit einem gierigen Grinsen, dass seine starren Reptilienaugen nicht erreichte.
    Ich robbte rückwärts von ihm weg. Richtung Treppe. Als meine Arme wegknickten, lag ich auf dem Rücken. Hinter meinem Kopf fühlte ich die erste Stufe der Treppe nach unten.
    Perfekt.
    Wiesinger stürzte sich auf mich.
    Die Rückenlage ist eine der besten Positionen, um einen Angriff abzuwehren, denn man hat sowohl Arme als auch Beine frei, um sie zur Verteidigung zu nutzen.
    Als Wiesinger nach mir griff, packte ich seinen Arm, riss gleichzeitig die Beine hoch, stemmte beide Füße unter seinen Brustkorb und schleuderte seinen Körper mithilfe seines eigenen Schwunges über mich hinweg.
    Das Krachen, mit dem der Mann die schmale, steile Holztreppe hinunterpolterte, schien ohrenbetäubend. Und ewig anzudauern.
    Dann war es still.
    Mit einem Satz war ich auf den Füßen, starrte ins Erdgeschoss hinunter. Wiesinger lag reglos am Fuß der Treppe.
    Ich zögerte keine Sekunde länger, sprang die Stufen hinunter, über den Mann hinweg.
    Zur Haustür! Aufreißen! Raus auf die Straße!
    Endlich bekam ich den Knebel aus meinem Mund. Ein Paar Socken.
    »Hilfe!«, schrie ich, während ich auf die Straße rannte. Mein Verfolger konnte jeden Moment aus der Ohnmacht erwacht mit der Waffe hinter mir stehen.
    Keine Polizisten im abgesperrten Vorgarten!
    Wohin jetzt?
    Mein Kopf pochte vor Schmerz. Ich lief einfach weiter. Stolperte. Wischte mir durchs Gesicht. Bemerkte das Blut. Drückte den Ärmel meines Pullovers auf meine Stirn. Mir war schwindelig. Wenn Wiesinger mir auf den Fersen war, würde er mich leicht einholen.
    Dann glaubte ich, Stascheks dunkelblauen Kombi die Straße an den Reihenhäusern entlang auf mich zukommen zu sehen.
    Ich blinzelte. Hatte ich Halluzinationen?
    »Lenny!« Ich winkte, was gar nicht nötig war, weil Staschek sowieso mit quietschenden Reifen vor mir bremste.
    »Lila? Was ist passiert?« Der Kommissar sprang aus dem Auto.
    »Er hat eine Pistole!«, schrie ich Staschek an, obwohl er genau vor mir stand, und deutete mit fuchtelnden Armen auf das Eckhaus.
    Staschek zog seine Waffe.

46.
    Die Reptilienaugen des Pizzafreundes starrten an mir vorbei. Der kalte Blick war gebrochen. Der Körper lag im Flur, der Kopf auf der untersten Treppenstufe, deren Kante ihm das Genick zerschmettert hatte.
    Kein Blut, keine Verletzung, nur die toten Augen, die verrieten, dass er den Sturz nicht überlebt hatte.
    Staschek steckte seine Waffe wieder ein und legte mir seinen Mantel um die Schultern. Er war mir zu groß, der Saum schleifte auf dem Boden, meine Hände verschwanden in den Ärmeln. Erst jetzt merkte ich, dass ich zitterte.
    »Was machst du hier?«, fragte ich den Kommissar.
    »Ich hab dich gesucht. Ich sollte auf dich aufpassen«, erklärte Staschek.
    »Auf mich?« Erstaunt sah ich ihn an.
    Er kramte ein Papiertaschentuch hervor und tupfte damit an meiner Stirn herum.
    »Solange Klara Ben auf dem Präsidium festhält. Er hielt es für möglich, dass du allein weiterschnüffelst. Leider warst du schon verschwunden, als ich bei euch zu Hause ankam. Also habe ich mich auf die Suche gemacht. Ich wollte bei euren Auftraggeberinnen Silvia Fromm und Katrin Hesskamp klingeln und hab dann euer Auto gesehen.«
    »Ben schickt mir einen Babysitter hinterher?« Es fiel mir schwer, ihm das übel zu nehmen.
    Verschmitzte Fältchen erschienen in den Augenwinkeln des Kommissars: »Mich kotzt es auch an, dass er ständig recht haben muss.«
    Silvia Fromm erschien noch vor
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