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Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott
Autoren: Ulrike Kroneck
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Schreibtisch besetzte. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass er alles getan hatte, damit ich den Vertrag nicht bekam. Mehr im Zorn auf mich selbst, auf meine hilflose Gutgläubigkeit, dass ich allen Ernstes angenommen hatte, dieser Mann würde sich für mich einsetzen, stand ich mit einem Ruck auf, warf dabei den Schreibtischstuhl um und all meine Vorsicht über den Haufen.
    »Glücklischerweise muss isch disch dann auch nisch mär sehn!« Ich blickte ihn finster an und trat unvermittelt gegen den zu Boden gegangenen Stuhl, lief an ihm vorbei zur Tür, drehte mich um und wollte noch etwas Ehrabschneidendes draufsetzen. Aber aufgrund mangelnder französischer Sprachkenntnisse spuckte ich ihm nur ein »Mon Dieu« vor die Füße und wackelte dazu blasiert mit dem Kopf. Zur Bekräftigung knallte ich die Tür.
    Und stand daraufhin hinter der Tür meines eigenen Büros mit klopfendem Herzen, aufgelöst im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Haarspange war mir herausgefallen. Wahrscheinlich hob er sie gerade auf und legte sie ordentlich neben die Korrekturen auf den Schreibtisch. Ich spürte geradezu körperlich, wie er süffisant grinste. Während ich über den hallenden Flur ging, riss ich mir die andere Hornspange aus den Haaren. Als meine Kollegin Beate mir entgegenkam, richtete ich mir mit gesenktem Kopf weiter meine desolaten Locken und schaffte es gerade noch bis zur Tür der Damentoilette.
    Ich schloss mich auf einem Klo ein und heulte eine halbe Stunde. Zuerst heulte ich über meinen Abgang und verwünschte mich. Wünschte, ich hätte gelassen, kühl und herablassend reagiert. Dann heulte ich über meine Dummheit, denn wie ich es auch drehen und wenden würde: Ich würde diesem Gockel in der Kunst- und Museumsszene Berlins wieder und wieder über den Weg laufen – und da stünde es schlecht um mich und meine Hoffnungen auf eine Festanstellung. Anschließend heulte ich darüber, dass mir das nicht egal war. Schließlich war ich ganz erschöpft, weil ich nicht mehr wusste, was das Schlimmste war: Dass ich so abhängig war oder dass es niemanden außer mir selbst gab, der mich bedauerte? Oder beides zusammen. Am Ende war ich völlig leer und weinte nur noch leise vor mich hin.
    *
    Danach war ich im Bus durch den schwül-heißen Spätnachmittag gefahren, hatte mich die vielen Treppenstufen in meine Wohnung am Gierckeplatz in Charlottenburg hochgeschleppt und hörte schon vor meiner Wohnungstür das Telefon klingeln. Ich wollte nicht telefonieren und machte absichtlich langsam. Das Klingeln hörte auf, als ich meine Tasche an die Garderobe hängte. Gott sei Dank. Und setzte abermals ein. 20 Mal.
    »Ja, bitte?«, zischte ich lauernd, gespannt, wer mir jetzt wieder etwas antun wollte.
    »Karoline?« Das war Ruth, die da ins Telefon hauchte.
    »Ja!« Ich versuchte, sachlich zu bleiben.
    »Karoline, ich …« Ruth stöhnte auf, schluchzte und fing offensichtlich an zu weinen, denn sie bekam kein Wort heraus. Ich hörte nur noch ein Rascheln und Knarzen, das an die Anfangszeiten des Telefons erinnern konnte. Nach einem Moment schien Ruth sich gefasst zu haben und setzte erneut an: »Karoline, ich bin 47!« Und dann fing sie doch wieder an zu weinen und schluchzte in den Hörer.
    »Ach was! Das ist ja eine Neuigkeit! Aber kein Grund zur Panik. Was ist passiert?« Ich bin, was die Katastrophen anderer angeht, ganz pragmatisch und werde immer besonnener, je dramatischer die Szenerie wird.
    »Karoline, ich habe den Prozess verloren!«
    »Nein!«
    »Doch!«
    »Diese miese Ratte!«
    »Das habe ich vorhin auch schon gesagt!«
    »Ich habe das schon immer gesagt!«
    Ich hatte Friedbert, seit ich ihn kenne, für einen langweiligen und selbstgerechten Hohlkopf gehalten, den ich nur ertragen hatte, weil meine Cousine Ruth nun einmal mit ihm verheiratet war. Ich hatte es schon mit zwölf Jahren nicht begriffen, dass die schöne und intelligente Ruth sich an einen solchen Simpel vergeuden konnte, und fand es nicht schade, dass ich an der Hochzeit nicht teilnehmen konnte, weil meine Eltern mich aus pädagogischen Gründen auf einen lange geplanten Urlaub auf einen Reiterhof geschickt hatten, obwohl – oder weil – ich Reiten hasste, und Mädchen, die reiten wollten, mochte ich auch nicht besonders.
    »Ach, Karoline!« Ruth schluchzte wieder. Ruth ist zehn Jahre älter als ich, aber sie ist meine beste Freundin. Ruth ist der Meinung, ich manage alles souverän und gehe mit starken, selbstbewussten Schritten durch mein eigenes Leben.
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