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Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott
Autoren: Ulrike Kroneck
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gemustert, und ich weiß, dass es nicht daran liegt, was ich anhabe. Es liegt auch nicht daran, dass ich nicht so schlank bin wie dieses Wesen. Ich bin nicht gerade unterernährt, und ab und zu kokettiere ich auch mit meinen guten Pfunden. Nein, darin waren die Gründe nicht zu finden. Diese Frau nahm das Verhalten des Mannes so gelassen und beiläufig, ohne zu fordern. Sie war bewandert, sie tat das mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie sie ihren Kaffee getrunken hatte. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich das Geschehen mit dem Gedanken begleitet: ›Oh, er holt mir den Koffer aus dem Gepäcknetz, oh, oh!‹ Und ich hätte vor Begeisterung vergessen, mich zu bedanken und ganz verzückt gegrinst. Diese Frau aber registrierte das Besondere nicht, weil das für sie alles ganz selbstverständlich war. Sie hätte es wahrscheinlich auch ohne Erstaunen zur Kenntnis genommen, wenn er sich auf die Knie geworfen hätte, um seine Stirn auf ihren Handrücken zu drücken.
    Sie wollte offenbar, wie auch ich, in Hannover aussteigen. Ich machte mich also fertig, bedankte mich bei den beiden für die angenehme Fahrt, die noch nicht einmal vom Schaffner gestört wurde, und machte mich auf den Weg zur Waggontür.
    Sie küsste ihn doch tatsächlich, wie ich gerade noch sehen konnte.
    Als ich den Bahnsteig entlanglief und es mir nicht verkneifen konnte, mich noch einmal umzudrehen, sah ich ihn im Abteil sitzen. Sie war allein ausgestiegen und ging einige Schritte hinter mir her.
    »Ach, Sie steigen hier auch um!«, stellte ich überflüssigerweise das Offenkundige fest. Ich war stehen geblieben, um mit ihr gemeinsam auf die Treppe zuzugehen.
    »Ja, ich habe hier einen Termin und fahre morgen früh übers Wochenende aufs Land.« Sie lächelte entgegenkommend.
    »Ja, wie schön! Ich bin auch auf dem Weg in ein kleines Kaff zu meiner Cousine.« Ich sah sie an und sie schien nichts dagegen zu haben, mit mir gemeinsam die Treppe herunterzusteigen. »Aber ich fürchte, für mich wird es ein anstrengendes Wochenende, denn ich muss meine Cousine aufrichten, der es so richtig mies geht.« Dass es mir auch nicht viel besser ging, wollte ich jetzt nicht so kurzatmig durch den Bahnhof eilend ausführen. Ich wusste ohnehin nicht, warum ich ausgerechnet über Ruths Malaise Konversation mit einer Wildfremden machte. Aber ich hatte seit gestern, seit ich mich auf dem Klo ausgeheult hatte, kein Gefühl mehr gehabt. Als ich diese Frau sah, bei der alles passte, spürte ich wieder, dass es mir gar nicht gut ging. Und mich überkam Traurigkeit. Ich hielt den Mund und musterte sie. Sie war mir sympathisch.
    »Ich heiße Karoline«, sagte ich und reichte ihr die Hand.
    »Marianne.«
    Eva – so hätte sie heißen können, oder Maja, Nora oder auch meinetwegen Anna. Aber doch nicht Marianne! Sie musste mir diese Gedanken angesehen haben. Oder sie kannte diese Reaktion, denn schließlich musste diese Frau wissen, dass sie eigentlich nicht so eine Frau war, die einfach Marianne heißen konnte. Aber sie hatte schon abwehrend den Kopf geschüttelt.
    »Unsinn – ich nenne mich Mari.«
    Das fand ich nun schon passender. Ich hielt diese Erläuterung außerdem für das Angebot, sie auch so zu nennen. »Vielen Dank, Mari, für die nette und ruhige Fahrt. Ich muss hier hoch zu meinem Zug.« Ich zeigte auf die Treppe zum Gleis 11 und schwankte einen Moment, ob ich hochgehen sollte, und auch sie schien zu zögern. Doch dann drehten wir uns beide mit einem verabschiedenden Lächeln um und gingen jede in ihre Richtung. Ich ärgerte mich noch über eine halbe Stunde, die ich auf den verspäteten Regionalexpress warten musste, dass ich sie nicht nach ihren ›Kontaktdaten‹, wie man das heute nennt, gefragt hatte. Ich hätte sie gern kennengelernt.

2. Kapitel
    Für die acht Kilometer von Nomburgshausen nach Eickdorf nahm ich mir ein Taxi, da ich ja jetzt ohnehin kein Geld mehr hatte.
    Ich fuhr gern diesen Weg zu Ruths Haus. Sie wohnte hier erst seit vier Jahren, seit sie sich von Friedbert getrennt hatte. Geerbt hatte sie das Haus bereits vor mehr als 25 Jahren von ihrer Großmutter väterlicherseits. Wir sind über unsere Mütter Cousinen. Sie war in ihrer Kindheit fast jeden Nachmittag bei ihrer Oma, die außerhalb des Dorfes am Rande des Waldes wohnte. Die Großmutter galt als verschroben, da sie in den 60er-Jahren nicht mitmachte, als alle nach und nach ihre Häuser modernisierten, das Fachwerk verkleideten und große tote Augen in die alten Wände
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