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Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott
Autoren: Ulrike Kroneck
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der Wald dunkel und sommerlich. Nach einer lang gezogenen Kurve öffnete sich der Wald und die Straße war von Linden gesäumt.
    »Den nächsten Feldweg rein«, erklärte ich dem Taxifahrer, als wir die lange Lindenallee entlangfuhren.
    »Hier?«, fragte er an dem Schotterweg, der nach links zu Gerd Bodenstedts Hof führte.
    »Nein, da vorne direkt in der Linkskurve, rechts rein.«
    Drei Linden vor dem Weg zu Ruths Haus war ein Straßenschild in die Knie gegangen: »Vorsicht Baumunfälle«. Damit wollte das Straßenverkehrsamt die Leute zur Vorsicht mahnen. Hier hatte das nicht gefruchtet. Das Schild war offenbar selbst in einen Unfall verwickelt worden und der Baum hatte eine dicke Schramme.
    »Ach, lassen Sie mich ruhig hier an der Ecke raus!« Ich war früh dran und wollte die restlichen 500 Meter zu Fuß gehen. Das Taxi kostete 30 Euro, ich gab dem Taxifahrer 35 und rechnete nicht, wie üblicherweise. Wenn schon arm, dann wenigstens weltstädtisch!
    Über den befestigten Waldweg näherte ich mich Ruths Haus. 100 Meter vor der Wiese, auf der das Haus liegt, macht der Weg eine kleine Biegung. Hier blieb ich stehen und genoss die Aussicht. Der Blick, der sich hier auf das Haus eröffnet, ist einfach bezaubernd. Am Rand des Waldes inmitten eines unglaublichen Blumengartens liegt es genau so, wie ich mir immer ein verzaubertes Hexenhaus vorgestellt habe. Ganz ruhig liegt das Haus, schaut in Richtung Weg, als hätte es auf den Gast gewartet. Die anderen Fenster weisen Richtung Wiesen, die sich vor ihm neigen in eine leicht abfallende Senke. Nichts versperrt in diese Richtung den Blick. Ich blieb stehen und überlegte einen Moment lang zu weinen. Ich entschied mich aber dagegen, schüttelte den Kopf und ging die letzten Meter etwas entschiedener und schneller.
    Das Dielentor stand sperrangelweit offen, eine leere Weißweinflasche lag im Kräuterbeet rechts von der kleinen Seitentüre zur Küche, die ebenfalls nicht geschlossen war. Eine leere Rotweinflasche stand auf dem großen Tisch vor der Diele neben einem halb vollen Glas, in dem 20 bis 200.000 Essigfliegen schwammen.
    »Ruth, hallo, ich bin’s.« Ich rief mit ganz sanfter Stimme, weil ich ihren Kopf nicht zu sehr strapazieren wollte. »Ruth? Wo bist du?«, fragte ich, während ich in die Wohndiele trat, ein wenig ängstlich, weil alles so still war.
    Ruth lag leise schnarchend auf dem großen alten Biedermeiersofa, das schon ihre Oma hatte. Sie lag auf dem Rücken, ohne Decke. Sie hörte mich nicht.
    Während ich auf Ruth herabsah und überlegte, ob ich sie wecken oder die Weinflaschen wegräumen sollte, hörte ich einen Trecker vorfahren. Schnell ging ich hinaus, schloss die Küchentür und ging Gerd entgegen. Er saß auf seinem Lieblingstraktor, einem alten Fendt der 30er-Jahre, mit dem er immer Besuche machte. Sonst fuhr er zweimal im Jahr – im Herbst und im Frühling – mit einem modernen, großen Vier-Schar-Trecker über seine 38 Hektar und den Rest des Jahres langweilte er sich. Seine Milchquote hatte er verpachtet und es gab kein einziges Schwein mehr, das ihn morgens aus dem Bett jagen konnte.
    Er schien mit Ruth frühstücken zu wollen.
    »Gemach, gemach! Ruth ist krank, mach dein Gefährt aus!«
    Gerd schien sich gar nicht zu wundern, dass ich hier war, hob seine große Hand zustimmend zum Gruß, machte den Trecker aus und sprang herunter. »Ist es so schlimm? Hat sie sich was getan?« Er riss seine hellblauen Augen auf, die keiner einem Bauern zugetraut hätte, und legte seine riesigen Hände vor seinen kleinen Mund. Beide übereinander. Das wirkt auf mich immer wieder verwirrend, wenn der große Gerd von 55 Jahren das macht. Und dann ein »Oh« ausstößt.
    »Wieso, was getan?«
    »Ja, sie sagte nach dem Unfall, es sei alles in Ordnung. Ich könne sie ruhig allein lassen. Ich war ja besorgt und wollte sie unbedingt zum Arzt fahren. Aber sie wollte ins Bett. Hat sie mir gesagt!«
    »Da ist sie auch noch! Sie schläft.« Ich frage mich, warum ausgerechnet ich im Berufsleben kein Bein an die Erde kriege, wo ich doch weit und breit die Einzige bin, die bei klarem Verstand ist. »Was für ein Unfall, verdammt noch mal? Erzähl!«
    Und Gerd erzählte. »Ich hab sie doch gestern da vorn am Baum gefunden …« An der Böschung vor der letzten Kurve der Hauptstraße, bevor es in den kleinen befestigten Weg zu ihrem Häuschen abgeht, hockte sie im Gras und wimmerte wie ein kleiner Hund. Ihr Auto klebte an der Linde. Unvermittelt hätte sie hysterisch
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