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Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott
Autoren: Ulrike Kroneck
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bohrten. Ruths Oma blieb in ihrem Fachwerkkotten mit den Sprossenfenstern wohnen, ließ ihn so, wie er war, und bestellte ihren Garten mit Gemüse und Kräutern. Die Diele behielt ihren Lehmboden und Oma blieb in den kleinen Zimmern im hinteren Bereich des Kottens wohnen. Ruth erzählte, dass die anderen Kinder ihre Großmutter immer etwas ängstlich beäugten, wenn sie auf ihrem altertümlichen Fahrrad ins Dorf radelte, um einzukaufen. Als Ruth klein war, hätte sie gern eine andere Oma gehabt, wünschte sich weniger aufzufallen. Sie hätte es gern gesehen, wenn ihre Großmutter auch zum Friseur gegangen wäre, um sich Dauerwellen machen zu lassen und nicht mit schulterlangen grauen Haaren und einem weiten Blumenkleid auf einem alten Fahrrad durch die Gegend gefahren wäre. Außerdem wussten die Leute nicht so genau, wovon Ruths Großmutter eigentlich lebte.
    Aber später, als Ruth zwölf Jahre alt war, wurde sie stolz auf diese außergewöhnliche Großmutter und verbrachte fast jeden Nachmittag bei ihr. Sie machte im Sommer ihre Schularbeiten vor dem Dielentor und half manchmal im Garten. Sie spielte am Bach, der am Rande der großen Wiese entlangfloss. Im Sommer war er nur ein kleines Rinnsal.
    In dieses Paradies war Ruth also vor vier Jahren gezogen. Während der Jahre, die sie mit Friedbert, dem Dünnbrettbohrer, zusammengelebt hatte, hatte sie den alten Kotten nur als Wochenendhaus genutzt und ihn davor bewahrt zusammenzubrechen. Friedbert wollte dort einen schicken modernen Bungalow hinsetzen. Aber da biss er bei Ruth das erste Mal auf Granit. Das war erst drei Jahre nach ihrer Eheschließung. Ich musste die Herbstferien bei Ruth und Friedbert in Nomburgshausen verbringen und lernte für meine Mathematikklausuren. Meine Mutter hatte einen Bandscheibenvorfall und war in der Klinik. Und mein Vater war mit seiner Sekretärin auf einem Kongress. In diesen sechs Tagen lernte ich Friedbert kennen und bekam mit, wie er war. Und das reichte mir für mein ganzes Leben.
    Seit der Zeit nenne ich ihn leise nur den Dünnbrettbohrer. Ruth hatte das Haus geerbt, und deshalb konnte er mit seiner Geschmacklosigkeit dort keinen Schaden anrichten. Aber sie versuchte ihn davon zu überzeugen, wie schön der Kotten war. Sie hätte es sich sicherlich gewünscht, dass er ihre Liebe geteilt hätte. Oder dass er wenigstens nachvollziehen könnte, was dieses Haus für sie bedeutete. Sie war enttäuscht, dass er überhaupt kein Empfinden dafür hatte. Sie war am Ende dieser gemeinsamen Ferien ganz ruhig geworden und hatte nicht mehr vom Haus und auch nicht mehr von ihrer Großmutter gesprochen. Aber ich glaube, sie war voller Kummer, dass er so weit entfernt war von ihr. Ich dachte damals, sie sei immer noch zu verknallt, um zu sehen, wie engstirnig er war. Aber es war genau umgekehrt. Sie sprach nicht mehr darüber, und packte ihre Erkenntnis in eine tiefe Kiste, ganz hinten in ihrer Seele. Denn in diesem Jahr war sie zum zweiten Mal schwanger geworden. Sie hatte das gewollt und sie wollte glücklich sein.
    Sie machte in den nächsten Jahren immer wieder ein wenig an dem Haus oder ließ auch etwas machen, verbrachte dort viele Wochenenden und manchmal auch die Ferien mit ihren Kindern. Ich war in den letzten 15 Jahren fast jedes Jahr bei Ruth und habe mit ihr gebaut und gebastelt. Meist waren Tobias und die kleine Rosa dabei. Ich liebe dieses Haus. Als hätte sie langsam, aber stetig ihren Auszug vorbereitet, sagte sie zum Abschluss unserer Arbeiten an der großen Diele vor vier Jahren – wir hatten den Fußboden mit Tonziegeln, Kachelresten und Rundkieseln gepflastert und gefliest: »Das wird meine Wohnküche. Das ist ein bisschen anders als bei meiner Oma. Aber ich werde hier auch wie sie allein leben.«
    Am folgenden Tag verließ sie das gemeinsame Haus in Nomburgshausen. Sie war zwar nicht ganz allein, denn sie nahm Tobias und Rosa mit. Aber sie war ohne Friedbert. Endlich – fand ich.
    Das Taxi fuhr durch das Dorf mit seiner schönen Kirche auf dem Dorfanger, wo tatsächlich noch einige alte Häuser standen. Bei Riesters, dem Dorfgasthof mit Saal und Fremdenzimmern, standen eine Menge Autos. Hier würde wohl ein Fest sein am Abend. Wir ließen das kleine Dorf hinter uns und fuhren am Supermarkt, der am Rande des Dorfes lag, vorbei weiter in Richtung Barkdorf. Die Buchen waren kräftig grün, und ich bedauerte es, dass ich nicht vor sechs Wochen hier war. Ich liebe das filigrane Grün der sich öffnenden Buchenblätter. Jetzt war
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