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Das Frauenkomplott

Das Frauenkomplott

Titel: Das Frauenkomplott
Autoren: Ulrike Kroneck
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»Quäl mich doch jetzt nicht!«
    Ich hatte meine Cousine Ruth immer bewundert, weil sie elegant, schlank und zierlich ist und dazu noch künstlerisch begabt! So viele Dinge! Sie war auf eine unaufdringliche Weise klug, besonnen und natürlich schön. Sie war mein Vorbild. Bis sie Friedbert heiratete. Das konnte ich einfach nicht begreifen.
    »Ist denn nichts mehr zu machen?«, fragte ich, während ich die Kühlschranktür öffnete, um mir ein Mineralwasser zu holen. Ruth konnte mir offenbar nicht mehr antworten. Ich hörte nur Gläserklappern und leises Gluckern.
    »Jetzt bringt der mich noch zum Saufen, dieses Miststück!« Ruths Heulen wurde von einem fernen metallischen Kratzen und Geknatter untermalt. Offensichtlich hatte sie den Hörer unter ihren Arm geklemmt.
    »Ruth, was ist los?« Ich rief lauter, bekam aber keine Antwort. Dann hörte ich ein Schlürfen.
    »Ich musste erst mal was trinken!«, sagte Ruth und schien sich den Mund abzuwischen.
    »Ruth, nun erzähl doch mal vernünftig und der Reihe nach!«
    »Wie denn? Der Richter ist der Ansicht, dass Friedbert allein die Entwürfe für die Stühle gemacht hat, dass er allein die Firma aufgebaut hat. Ich tauche ja in den Firmenunterlagen gar nicht auf, es wäre – meinte damals Friedberts Steuerberater Dr. Bruno Baltz, der Widerling – günstiger, wenn wir Gütertrennung vereinbaren würden, angeblich zu meinen Gunsten, wegen meines Häuschens, und dass ich in der Firma gar nicht auftauchte, nicht einmal als mitarbeitende Sekretärin.« Ruth lachte auf. »Das war in der Tat günstiger – für Friedbert. Ich war offiziell nur Hausfrau und für die Kinder zuständig … die Kinder … ach, wie konnte ich nur …«
    Ich spürte, wie ich wieder unter der Achsel eingeklemmt wurde. Sollte sie sich erst mal ordnen. Währenddessen ging ich mit meinem Wasser zum Fenster und sah auf den Spielplatz, auf dem die Kinder immer zu viel Lärm machen, und auf die kleine, von Bäumen beschattete Luisenkirche im Zentrum des Platzes. Ich bin gern allein in dieser Wohnung. Sie ist unordentlich, die Papiere sind auf meinem Schreibtisch verteilt. Aber keiner sagt mir, ich müsse aufräumen. Ich kann nackt durch die Wohnung laufen, wann immer ich will, muss nicht abwaschen am Abend, und ich kann meine schmutzige Wäsche im Badezimmer liegenlassen. Ich muss nicht weinen um einen verlorenen Prozess gegen einen Mann, den ich einmal geliebt habe, ich habe keinen Zorn auf mich selbst wegen der Versäumnisse von gestern. Ich habe eine schöne, unordentliche Wohnung für mich allein. Habe keinen großen Kummer, nur den alltäglichen, geregelten Ärger einer Werkvertragsexistenz beim Museum. Und der hatte ja nun auch ein Ende. So schlecht, wie ich heute Mittag dachte, ging es mir offenbar nicht. Ich versuchte mich bei Ruth bemerkbar zu machen.
    »Ruth!« Ich hatte das dumpfe Gefühl, noch immer zwischen ihrem Arm und ihrem Oberkörper eingeklemmt zu sein. »Ruth, verdammt! Hör auf zu saufen, das hilft auch nicht. Ich komme zu dir, morgen früh fahr ich los. Ruth, hörst du, hörst du?«
    Ruth hörte nicht, sie schien sich nur erneut etwas einzugießen.
    »Und guck dir doch mal an, wie ich aussehe, 47 bin ich. 47!« Sie schien in ihrer Diele zu stehen, vor dem alten meterhohen Kirschbaumspiegel, und sich vor ihm zu drehen.
    Sie nahm den Hörer wieder zum Ohr: »Entschuldigung. Aber … dieses Miststück von Friedbert meinte in Einklang mit seinem Freund, dem Richter, ich sei durchaus in der Lage, für meinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Ich soll jetzt aus der halben Stelle in der Apotheke eine ganze machen. Damit würde es mir doch gut gehen.« Sie spuckte aus, kam ins Husten und würgte: »Ich könnte kotzen, ich würde ihn am liebsten erschlagen, dieses Aas. Und er hockt auf dem ganzen Geld, das ich geholfen habe zu verdienen, er selbst war eigentlich viel zu dumm.«
    Ich musste mich zurückhalten, um nicht mit einzustimmen in diesen Schmähgesang. Das würde jetzt auch nichts bringen. Ruth hatte schon genug Ärger, ich würde mit wiederholten Kommentaren wie ›Habe ich doch immer schon gesagt!‹ nicht zur Hebung ihrer Stimmung beitragen. Ruth wusste, dass ich Friedbert nicht nur für banal und schlicht, sondern auch für berechnend und kalt hielt.
    Friedbert, der erfolgreiche Möbelfabrikant. Als Möbelverkäufer hatte er angefangen und war deshalb so erfolgreich gewesen, weil er genau den gleichen Geschmack hatte wie die meisten Kunden, die er bediente – nämlich gar keinen.
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