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Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Das Frankenstein-Projekt (German Edition)

Titel: Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
Autoren: Robert C. Marley
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Haken, Blei und Leine.
    Zum einen war er weder in der Position, noch hatte er den finanziellen Spielraum, einen Job ablehnen zu können – er wusste manchmal kaum, wie er die nächste Mahlzeit bezahlen sollte. Zum anderen war er von Ilena Camataru dermaßen gefesselt gewesen, dass er auf den Gedanken, ihr die augenfälligste aller Fragen zu stellen, erst nach ihrem Aufbruch gekommen war: Aus welchem Grund ersteigerte sie den verdammten Koffer nicht einfach selbst?
     
    Talbot erreichte sein Zimmer im ersten Stock. Er trat ein, schloss die Tür hinter sich ab und ließ sich in den Sessel vor dem Fernseher fallen. Die Zeitung warf er neben sich auf den Boden. Heute konnte und wollte er sich nicht mehr mit der toten Schauspielerin befassen.
    »Er hatte einen kleinen Job, aber er hat ihn verloren wegen seiner Trinkerei.«
    Ilena Camatarus Worte klangen ihm noch immer wie ein unheilvolles Echo in den Ohren. Und die Erinnerung daran überflutete ihn nach wie vor mit einer Woge heißer Scham.
    »Er hat den ganzen Tag nichts anderes mehr gemacht. Von morgens bis abends nur noch getrunken, getrunken, getrunken. Dabei hatte er versprochen, für uns zu sorgen.«
    Sie hätte ebenso gut über ihn sprechen können. Ihn fröstelte.
    Bald war es wieder so weit. Es kam jedes Mal wie ein Fieberanfall über ihn, und er konnte spüren, wie es kam. Es begann mit einem leichten Schaudern, mit Gänsehaut. Mit dem Gefühl, zu frösteln, obwohl es warm genug im Zimmer war. Und dann war da dieses schmerzhafte Ziehen in den Nieren. Ein Blick auf seine Hände genügte, um ihm zu zeigen, dass die Verwandlung kurz bevorstand. Zwar waren auf den Handrücken noch keine dunklen Haare zu sehen, ein untrügliches Zeichen jedoch waren die Monde seiner Fingernägel: Sie verfärbten sich bereits schwarz.
    Lawrence Talbot, den seine wenigen Freunde »Larry« nannten, war drauf und dran, das Bewusstsein zu verlieren. Er gab sich noch etwa 45 Minuten. Nur in dieser Zeit vermochte er noch selbst zu kontrollieren, was er tat – alles, was darüber hinausging, lag jenseits seines Einflussbereiches.
    In den zwei Nächten vor und nach Vollmond zeigten sich zwar immer noch Symptome der Wolfskrankheit, aber meist kam es während dieser Zeit zu keiner kompletten Verwandlung. Vorgestern war Vollmond gewesen. Wenn er Glück hatte, war es heute also nicht mehr ganz so schlimm. Nüchtern betrachtet, wäre es besser, der Sache ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Aber nüchtern betrachtete er die Dinge schon eine ganze Weile nicht mehr.
    Es klopfte. Der Gin kam. Die junge Frau von der Rezeption brachte ihn selbst hoch. Sie trug die Flasche und einen Behälter mit Eis auf einem Tablett vor sich her.
    »Danke.« Talbots finstere Miene hellte sich auf. Er wies auf die Anrichte. »Bitte stellen Sie es einfach da hin.«
    »Ist das wirklich alles?« Sie sah ihn an, als befürchtete sie, er könne, wenn sie fortging, eine Dummheit begehen. »Ich meine …«
    »Ja?«
    »Es geht mich ja eigentlich nichts an, aber …« Sie stockte. »Sie sehen heute etwas … wie soll ich sagen? Etwas angeschlagen aus, Mr Talbot. Und da habe ich mich gefragt, ob Sie vielleicht noch einen Tee möchten oder …« Sie errötete und fuhr sich verlegen mit der Hand durchs Haar.
    »Ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen«, sagte er. »Und ja, Sie haben recht. Ich fühle mich heute tatsächlich nicht besonders.« Allerdings schon sehr viel besser, seit Sie da sind, dachte er, sprach es jedoch nicht aus. »Möglicherweise liegt es am Wetter.« Schmunzelnd zog er die Augenbrauen hoch. »So viel Sonnenschein sind wir Briten einfach nicht gewohnt.«
    Sie quittierte seinen kleinen Scherz mit einem Lächeln. »Okay, wenn es nur das ist, bin ich beruhigt. Ich sehe Sie morgen beim Frühstück, Mr Talbot.«
    »Ganz bestimmt.« Und dann, als sie sich umwandte: »Warten Sie. Einen Augenblick noch, bitte.«
    »Ja?«
    Er hatte sie nach ihrem Vornamen fragen wollen. Doch plötzlich fand er, es sei doch nicht der richtige Zeitpunkt. Wer zum Teufel war er, dass er sich einbildete, sie könne auch nur einen Hauch von Interesse an ihm haben? Sie war blutjung – bestimmt 15 Jahre jünger als er –, eine bildhübsche, kerngesunde Frau, die nach Seife duftete. Und er kam sich klein und ekelhaft vor, mit der Flasche Gin dort auf der Anrichte, seinem verschwitzten Tweedanzug und den von Minute zu Minute dunkler werdenden Fingernägeln. »Ach, nichts«, sagte er schließlich.
    »Dann wünsche ich Ihnen eine
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