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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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drehte sich um und sah ihn. Ein Ruck, und er lag plötzlich im Gang
des Wagens. Der Schaffner warf ihm einen vernichtenden Blick zu, klappte das
Treppchen hoch und knallte die Wagentür hinter sich zu.
    Ein Polizist, ein paar Dienstmänner und
einige Taxifahrer strömten aus dem Rolltreppenschacht auf den Bahnsteig, aber
zu spät. Er konnte ihre Schreie hören, eine Wagenlänge weiter hinten. Aber die
Schaffner würden die Türen jetzt nicht mehr öffnen. Plötzlich war der lange,
erleuchtete Bahnsteig zu Ende, der Bahnhof lag hinter ihm.
    Sie ahnten wahrscheinlich nicht, daß er
ihnen damit endgültig entwischt war, aber es war so. Natürlich würden sie den
nächsten Bahnhof verständigen, würden in Harmon, wo die E-Lok gegen eine
Dampflokomotive ausgetauscht wurde, den Zug anhalten und ihn rausholen. Aber
sie würden ihn nicht kriegen. Er würde nicht mehr drin sein. Nur noch sein
Körper.
    Jeder spürt es, wenn der Tod ihn holen
kommt; er wußte, daß er jetzt nicht mal mehr fünf Minuten leben würde.
    Er torkelte einen langen, hellerleuchteten
Gang entlang. Er konnte kaum mehr die Gesichter erkennen. Aber sie würde ihn
erkennen; alles würde gut sein. Der Gang war zu Ende, und er mußte wieder einen
Vorraum durchqueren. Er fiel auf die Knie, weil es keine Rückenlehnen mehr gab,
an denen er sich festhalten konnte.
    Irgendwie kam er wieder auf die Beine
und gelangte in den nächsten Wagen.
    Wieder ein langer, heller Gang,
meilenweit.
    Er war fast bis zum Ende vorgedrungen,
konnte schon die Tür zum nächsten Wagen sehen. Oder vielleicht war das die Tür
zur Ewigkeit. Plötzlich streckte sich ihm vom allerletzten Sitz eine Hand
entgegen, machte ihn auf sich aufmerksam, und dann sah er Paulines Gesicht, das
ihn ängstlich anblickte. Er drehte sich wie ein ausgewrungener Spüllappen und
fiel in den leeren Sitz neben ihr.
    »Du wärst glatt vorbeigelaufen«,
flüsterte sie ihm zu.
    »Ich hab dich nicht richtig gesehen,
das Licht flackert so .«
    Sie blickte erstaunt nach oben, so als
hätte sie keinerlei Flackern bemerkt.
    »Ich hab mein Wort gehalten«, hauchte
er. »Ich bin zum Zug gekommen. Aber ich bin so müde — und jetzt muß ich
schlafen .« Er kippte langsam zur Seite, auf sie zu.
Sein Kopf sank auf ihren Schoß.
    Da hatte sie ihre Handtasche liegen,
und die rutschte jetzt herunter. Sie fiel auf den Boden, öffnete sich dabei,
und der ganze Inhalt verstreute sich rings um ihre Füße.
    Seine glasigen Augen öffneten sich ein
letztes Mal und blickten matt auf das kleine, von einem Gummiband
zusammengehaltene Geldbündel, das zusammen mit den anderen Sachen
herausgefallen war.
    »Pauline, so viel Geld — wo hast du das
her? Ich hab dir doch gerade genug für die Fahrkarten gegeben...«
    »Burroughs hat es mir gegeben. Es sind
die zweihundertfünfzig Dollar, von denen wir schon so oft gesprochen haben. Ich
wußte, daß du letzten Endes doch nicht zu ihm gehen und ihn darum bitten
würdest, und da bin ich selbst hingegangen — gestern abend, gleich nachdem du
aus dem Haus warst. Er hat es mir anstandslos gegeben, ohne ein Wort darüber zu
verlieren. Ich hab heute morgen versucht, es dir zu erzählen, aber du wolltest
ja seinen Namen nicht hören...«

Cornell Woolrich —
einsamer Held in der
selbstentworfenen
Dunkelheit
     
     
    Ein junger Arbeitsloser, der seit Tagen
nichts mehr in den Magen bekommen hat, schleicht sich, ohne zu bezahlen, ins
dämmrige Dunkel eines Kinosaals, um irgendeinen unaufmerksamen oder schlafenden
Zuschauer für eine Mahlzeit zu schröpfen. Doch ein schlaff und einsam in einer
Stuhlreihe Hockender, dem sich der Hungrige hautnah nähert, schläft nicht. Er
ist tot. Ermordet. Von diesem Moment an ist der verdruckst-verzweifelte
Verlegenheitsdieb ein gejagter Mörder.
    Frank Townsend, Opfer eines
eigenartigen Unfalls auf belebter Straße, erwacht aus einer Ohnmacht und
befindet sich in fremder Umgebung. Verwirrt stolpert er nach Hause zu seiner
Frau. Die aber lebt unter ihrem Mädchennamen inzwischen wieder ganz woanders.
Als er sie gefunden hat, erklärt sie ihm die Umstände: Er sei schließlich vor
einigen Jahren auf unerklärliche Weise verschwunden. Daran aber kann sich Frank
beim besten Willen nicht erinnern. Ihm dämmert allmählich, daß er an Amnesie
leidet, und ihm fällt auf, daß er beobachtet und verfolgt wird. Ein böser
Alptraum beginnt seine Gedächtnislücke bleiig zu füllen: Er soll in Wahrheit
Danny Nearing heißen — und der wird wegen Mordes gesucht.
    Die
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