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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof
Autoren: Cornell Woolrich
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nichts mehr
nützte.
    Eine ganze Weile sagte der Fahrer kein
Wort. Er dachte nach, und er war nicht der Schnellste. Schließlich meinte er
leichthin: »Soll ich vielleicht das Radio anmachen ?«
    Paine wußte, was er vorhatte. Er
dachte: »Er will hören, ob sie irgendwas über mich bringen .«
    »Sagen Sie’s ruhig«, drängte ihn der
Fahrer. »Ist im Fahrpreis inbegriffen, kostet Sie nichts extra .«
    »Na gut«, willigte Paine ein. Er war
selbst gespannt, ob er etwas erfahren würde.
    Der Schmerz wurde etwas erträglicher,
Musik lenkt einen immer ein wenig ab. »Ich hab gern getanzt«, dachte Paine und
lauschte dem Lied, »bevor ich angefangen habe, Menschen zu töten .«
     
    Sie brachten es erst ein ganzes Stück
später.
    »Die Polizei hat eine Großfahndung nach
Richard Paine eingeleitet. Paine, dem die Wohnung gekündigt worden war, schoß
auf den Angestellten einer Kreditgesellschaft und verletzte ihn tödlich.
Inspektor Flarold Carey, der ihn zu stellen versuchte, erlitt das gleiche
Schicksal. Bevor er jedoch in Erfüllung seiner Pflicht aus dem Leben schied,
ist es ihm noch gelungen, den Amokläufer ernsthaft zu verwunden. Eine Blutspur,
die der Täter auf dem Weg zum Dach hinterließ, über das er fliehen konnte,
scheint dies zu bestätigen. Er ist zur Zeit noch flüchtig, es wird aber mit
seiner baldigen Festnahme gerechnet. Nehmen Sie sich vor ihm in acht, er ist
gefährlich .«
    »Nicht, wenn man ihn in Ruhe läßt, ihn
nicht daran hindert, den Zug zu erreichen«, dachte Paine wehmütig. Er schaute
auf die Gestalt vor sich, die plötzlich wie versteinert dasaß. »Ich glaub,
jetzt muß ich mir wohl was für ihn einfallen lassen .«
    Die Durchsage war zu einem für den
Fahrer ungünstigen Zeitpunkt gekommen. Auf einigen der breiten Straßen, die
durch den Park führten, herrschte reger Verkehr, und sie waren recht gut
beleuchtet. Da hätte er von einem anderen Auto Hilfe bekommen können. Aber
zufällig kam die Nachricht, als sie auf einem dunklen, einsamen Nebenweg waren , weit und breit kein Auto in Sicht. Nach der nächsten
Kurve traf der Nebenweg wieder auf eine der belebteren Hauptstraßen. Das konnte
man schon jetzt an den Motorgeräuschen der Autos hören.
    »Fahren Sie rechts ran«, befahl Paine.
Er hatte den Revolver bereits gezogen. Er wollte ihm nur eins damit überziehen,
ihn bewußtlos schlagen und fesseln, bis zwanzig nach acht.
    An der Art, wie der Fahrer den Atem
anhielt, war ersichtlich, daß er wußte, wer sein Fahrgast war, seit die
Nachricht durchgegeben worden war; er hatte nur darauf gewartet, in die Nähe
des Ausgangs oder auf einen belebteren Weg zu kommen. Er bremste. Dann stürzte
er Hals über Kopf hinaus und versuchte, im Gebüsch Schutz zu finden.
    Paine mußte ihn kriegen, und zwar
schnell, sonst würde er die Polizei alarmieren. Dann würden sie alle
Parkeingänge dichtmachen. Er wußte, daß er nicht aussteigen und ihm nachlaufen
konnte. Er zielte tief, wollte ihm in den Fuß oder ins Bein schießen, ihn
lediglich bewegungsunfähig machen.
    Der Fahrer war über irgend etwas
gestolpert und hingefallen, den Bruchteil einer Sekunde, bevor die Kugel
losging. Und so mußte sie sich in seinen Rücken gebohrt haben. Als Paine zu ihm
kam, bewegte er sich nicht, lebte aber noch. Seine Augen waren offen, es
schien, als seien die Nervenzentren gelähmt.
    Er konnte selbst kaum mehr stehen,
schaffte es aber gerade noch, ihn zum Taxi zu schleifen und ihn irgendwie
hineinzuziehen. Er nahm seine Mütze und setzte sie sich selbst auf.
    Er konnte Auto fahren — besser gesagt,
er hatte es gekonnt, ehe es ans Sterben ging. Er schob sich hinter das Lenkrad
und fuhr langsam los. Der Schuß mußte hier im Freien ungehört verhallt sein,
oder man hatte ihn für eine Fehlzündung gehalten; der Verkehr rauschte unbeirrt
an ihm vorbei, und er fädelte sich wie selbstverständlich ein. Bei der ersten
sich bietenden Gelegenheit verließ er die Straße wieder und bog in einen
dunklen, leeren Nebenweg ein.
    Er hielt noch einmal an und taumelte
zur hinteren Tür, um nachzusehen, wie es dem Taxifahrer ging. Er wollte ihm
irgendwie helfen, wenn es noch nicht zu spät war. Vielleicht konnte er ihn vor
einem Krankenhaus auf die Straße legen.
    Es war zu spät. Seine Augen waren
geschlossen. Er war bereits tot.
    Fünf.
    Das machte ihm jetzt nichts mehr aus.
Für einen Sterbenden ist der Tod etwas Selbstverständliches. »Wir sehen uns in
einer Stunde«, sagte er noch.
    Er zog dem Fahrer den Mantel aus
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