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Das Feenorakel

Titel: Das Feenorakel
Autoren: Jeanine Krock
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Eben noch hatten sie sich nahezu ebenbürtig gegenübergestanden, jetzt aber stand er am Rand einer Klippe: hinter ihm der Abgrund, vor ihm ein erfahrener Krieger, dessen undurchdringliche Miene nichts von seinen Gefühlen verriet, bevor er zu einem letzten Vorstoß ansetzte.
    Julen sprang, obwohl er wusste, dass selbst er einen Sprung in diese Tiefe nicht vollkommen unbeschadet überstehen würde. Aber natürlich gelang es ihm, einen Ausweg zu finden: Wenige Meter vor dem Boden der Schlucht öffnete er ein Portal und landete auf einer weichen Wiese in der Zwischenwelt. Damit entging er geschickt dem schmerzhaften Aufprall.
    «Glückwunsch!» Sein Lehrer und Sparringpartner tauchte neben ihm auf und lächelte, als er sein Schwert mit einer lässigen Bewegung verschwinden ließ. «Ich muss noch etwas mit dir besprechen!»
    Die letzten Worte klangen bereits körperlos und Julen beeilte sich, ihm zurück in die Realität zu folgen.
    Wenig später sah er sich in Kierans Haus um. «Hier hat sich aber einiges verändert.»
    Der Krieger zuckte mit den Schultern. «Feen haben eben eine glückliche Hand mit Pflanzen. Zu glücklich, wenn du mich fragst!» Die Wärme in seiner Stimme war allerdings nicht zu überhören. Kierans Ruf als gnadenloser Vengador, Gesandter des Magischen Rats und dessen Vollstrecker, ließ die Vampirgemeinde erzittern. Doch seitdem er in einer Feentochter seine Seelengefährtin und die Liebe seines Lebens gefunden hatte, zeigte er zu Hause ein anderes Gesicht.
    Julen fand, es stand Kieran gut, und ein wenig beneidete er ihn um den Frieden, den er wohl auch gefunden hatte. Kieran hätte das sicherlich abgestritten, denn seine Partnerin hielt ihn ganz schön auf Trab, dachte Julen schmunzelnd. Für diese Form der Partnerschaft fühlte er sich selbst noch zu jung.
    «Ich habe einen neuen Auftrag für dich.» Jedes Anzeichen von Gefühl war verschwunden. Wenn es ums Geschäft ging, verstand Kieran keinen Spaß. Auch jetzt trug er eine undurchdringliche Miene und Stahl lag unter der dunklen, eindringlichen Stimme.
    Erfreut stellte Julen sein Glas beiseite. «Es hat also geklappt, bist du jetzt mein Verbindungsmann zum Rat? Du ahnst ja nicht, wie froh ich bin, diesen Zombie nicht mehr sehen zu müssen!»
    «Du solltest den Ältesten gegenüber mehr Respekt zeigen. Doch wenn es dich so freut, deinen Mentor losgeworden zu sein, dann hast du jetzt die Gelegenheit, Dankbarkeit zu zeigen», entgegnete Kieran trocken. «Deine Fähigkeiten als Bodyguard sind gefragt.»
    «O nein! Das ist nicht dein Ernst, oder?» Julen fuhr sich durch das blonde, halblange Haar, bis es aussah, als sei er gerade aus dem Bett gestiegen. «Komm schon, Kieran. Zum Kindermädchen eigne ich mich nicht. Das weißt du ganz genau!»
    «Wenn du auf deine Affären anspielst, muss ich dir recht geben.»
    «Lass Sara aus dem Spiel! Ja, sie ist mir ein paar Mal ausgebüxst, aber verrückt ist sie nicht. Das Mädchen ist einfach nur verwirrt und bei den Feen besser aufgehoben als hier zwischen all den sterblichen Kerlen, die nur das eine von ihr wollen.»
    «Ganz zu schweigen von den unsterblichen!», murmelte Kieran.
    Julen hatte in letzter Zeit kein glückliches Händchen mit Frauen gehabt und genau aus diesem Grund war er wahrscheinlich für solch einen lächerlichen Job ausgewählt worden. Nachdem er in kurzer Zeit zweimal enttäuscht worden war, hatte er sich geschworen, sich sobald nicht mehr auf eine Affäre einzulassen. Es gab genügend professionelle Blutjunkies und attraktive Vampirinnen, mit denen man sich vergnügen konnte, ohne gleich einen Krieg heraufzubeschwören, wenn zwischendurch etwas nicht zufriedenstellend lief.
    «Eines solltest du noch wissen: Im Feenreich gibt es Schwierigkeiten ...»
    «Und was geht uns das an?», gab Julen ein wenig schärfer als beabsichtigt zurück.
    Kieran hob die linke Augenbraue. Es war klar, was er von der Frage hielt. Sie alle wussten, dass die Geschicke der Feen und der geborenen Vampire eng miteinander verknüpft waren und sie eine lange gemeinsame Geschichte verband. Zwischen dem Volk der Kinder des Lichts und den Dunkelelfen, zu denen auch sie beide gehörten, hatte es in der Vergangenheit immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen gegeben. Es schien, als könnten sie nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander sein.
    Julen hätte sich gleich denken können, dass er keine Antwort erwarten durfte, also kam er wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. «Aber warum muss ausgerechnet
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