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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus
Autoren: Pierre Magnan
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auf den Steinhügeln bei Mallefougasse. Man ahnte den Sturm nur, wenn man sah, wie sich die Bäume alle auf einmal dem Mond entgegenstreckten, als höben sie die Arme zum Himmel.
    Die drei Männer flüsterten. Sie hätten ebensogut schreien können. Niemand hätte sie bemerkt.
    »Und wenn ich dir sage, daß ich was höre!«
    Es war kaum möglich, aber die drei duckten sich noch tiefer zu Boden. Sie waren ganz offensichtlich in einem Zustand, in dem man alles mögliche hört. Hin und wieder blickte einer von ihnen zurück wie ein verängstigter Hase. Und das einzige, woran er sich halten konnte, war der Anblick des amboßförmigen Felsens von Ganagobie, der wie ein steinernes Schiff unter dem Mond dahinsegelte. Hatte man Heil oder Unheil von ihm zu erwarten? Wer konnte das wissen. Von diesem Richtstuhl aus aufgetürmten Felsen, der sein drohendes Wesen unter einem harmlosen Wald aus Steineichen verbarg, war erst am Ende der Zeiten ein Urteilsspruch zu erwarten.
    Wie jedes Mal, wenn ein Berg den Menschen als Unruhestifter verdächtig war, hatte man auch diesem ein Heiligtum aufgesetzt, um ihn zu zähmen. Und von dorther konnte man noch unten bei La Burlière einen schwachen Schein wie das Glimmen erlöschender Holzkohle erkennen. Das mußten die letzten Mönche der Brüderschaft sein, die vor einer einsamen Kerze beteten, bevor sie sich auf ihren Pritschen zur Ruhe legten.
    »Na, hab ich was gehört oder nicht?«
    Den drei Männern lief es kalt den Rücken hinunter. Eine schwarze Gestalt, die sie nur von hinten sehen konnten, tauchte vor ihnen auf und ging auf das Haus zu. Über die gewölbten Steinplatten des Fuhrhofs kämpfte sich jemand von der Straße her gegen den Wind vor. Hose und Jacke bauschten sich, verwischten die Umrisse seines Körpers, so daß man ihn nicht erkennen konnte. Man sah nur, daß er groß war, daß er seine Arme ein wenig gekrümmt und seine Hände geöffnet hielt, wie jemand, der sich anschickt, einen Gegner zu packen.
    Während die Gestalt sich der niederen Tür näherte, wurde der Sturm noch wüster. Der Wind drehte und schleuderte den Lärm des Flusses gegen die Mauern von La Burlière, als wollte er sie einreißen.
    Der Mann stand jetzt vor der Tür. Er hob die Hand, um den Türklopfer zu betätigen, überlegte es sich dann aber anders und zog an der Schnur, mit der man die Klinke anhob. Widerspenstig, mit schwergängigen Angeln, öffnete sich der Türflügel und schloß sich wieder hinter dem Mann.
    Hinter den Kutschenrädern kauernd, beobachteten die drei Spießgesellen angestrengt die Fensterluke. Mehr konnten sie nicht tun, um zu erfahren, was sich da drinnen abspielte. Hin und wieder verdunkelte kurz der Schatten einer Hand, eines Kopfes das Licht, das vom Herdfeuer ausging. Manchmal wurde der Lichtschein auch für etwas längere Zeit von einer dazwischentretenden Gestalt abgeschirmt. Sie warteten ab. Es fiel kein Wort mehr.
    Plötzlich ging die Tür wieder auf, dieses Mal weit. Für einen Augenblick füllte die Gestalt von vorhin mit ihrem massigen Körper den ganzen Türrahmen. Der Mann stürzte heraus, als würde er von drinnen gestoßen, als werfe man ihn hinaus. Aber er zog die Tür hinter sich zu und stand nun im vollen Mondlicht vor den drei Männern. Er war noch zu weit weg, so daß sie, trotz des Mondscheins, keinen Namen mit seinem Gesicht verbinden konnten.
    Der Sturm hatte kein bißchen nachgelassen und blähte Hose und Jacke des Mannes von neuem auf. Er ging mit leicht gespreizten Armen und geschlossenen Fäusten auf den Brunnen zu. Obwohl er, wenn auch mit zögernden Schritten, vorankam, schien er unbeweglich gleich einer klapprigen Vogelscheuche, die jeden Moment zu Boden stürzen konnte. Sie sahen ihn um die Pferdetränke herumgehen, sich mit beiden Händen am marmornen Rand des Brunnens festhalten, sich hinunterbeugen. Da es aussah, als wolle er sich hinunterstürzen, hielten sie sich alle gegenseitig an den Armen fest, damit keiner losrennen konnte, um ihn daran zu hindern. Er tat nichts dergleichen. Er richtete sich wieder auf. Als gerade eine vorübersegelnde Wolke den Mond verdunkelte, kam er so nah an den dreien in ihrem Versteck vorbei, daß ihnen der kalte Tabaksgeruch in die Nase stieg, den er verströmte; und da erkannten sie ihn.
    Er stolperte an der tiefen Radspur, die sich im Laufe der Jahrhunderte in die Steinplatten des Hofs gegraben hatte, und überquerte die Straße, vom Sturm geschoben. Er kletterte auf den Bahndamm, hielt sich an der Draisine fest
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