Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus
Autoren: Pierre Magnan
Vom Netzwerk:
etwas bemerkt hätte. Wenn man sich umdrehte, stand er da. Man nahm sich zusammen in seiner Gegenwart. Man durfte sich sein Unbehagen nicht anmerken lassen. Daß man Angst vor ihm hatte, erweckte seinen Unmut.
    Er war ein Mann, der von keiner geregelten Arbeit lebte, und er lebte gut dabei. Das Gras wuchs frei auf dem Weg, der zu seinem Haus führte. Er konnte den Schlüssel im Schloß stecken-, die Geldbörse auf dem Tisch liegen-, den bœuf en daube auf dem Herd stehenlassen, die angebrochene Flasche Wein daneben. Mit geheimen Zeichen, die hie und da in Tuffsteine geritzt waren, hatte das fahrende Volk, dessen Wanderwege sich zwischen dem Schloß von Peyruis und den Büßerfelsen von Les Mées stern- förmig kreuzten, sich die Annäherung an sein Haus versagt. Die verbotene Zone bildete einen Kreis von einem Kilometer Umfang.
    Worauf sich die Furcht vor diesem Mann nun eigentlich gründete, hätte niemand zu sagen gewußt. Wenn aber zufällig jemand seinen Namen fallen ließ, so hätte er ihn gern wieder eingefangen wie einen Schmetterling. Stellte ein Kind eine unschuldige Frage nach seiner Person, so wurde es zurechtgewiesen, es solle lieber brav seine Suppe essen. Wenn der Zorme eine Geburtsurkunde beantragte, mußte sogar die Standesbeamtin schlucken, bevor sie sorgfältig die Buchstaben seines Namens malte.
    Und dieser Mann hatte sich, wie schon so oft, am selben Nachmittag gegen vier Uhr bei starkem Regen in La Burlière eingefunden. Nur so, ohne bestimmten Grund … Er selbst hatte nichts gesagt, hatte gewartet, daß ihn jemand ansprechen würde. So kam er nun schon seit mehreren Tagen vorbei – rein zufällig, wie er sagte –, seitdem die Durance diese Farben der Verwesung angenommen hatte.
    Er strich um das Anwesen wie ein aufgescheuchter Rabe. Er stand da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, mit zappelnden Fingern und etwas verdrehtem Kopf. Sein dichter schwarzer Schnurrbart – er trug ihn gestutzt, um nicht gar so furchterregend zu wirken – verlieh ihm ein gutmütiges Aussehen.
    Monge zog den Schwanz ein, wenn der Zorme sich zeigte. An diesem Regennachmittag spürte er ihn ständig um sich herumschnüffeln, fühlte er seinen Atem im Nacken.
    Monge hatte gesehen, wie er wegging unter seinem großen roten Schirm. Er hatte ihn von hinten gesehen, wie er den neuen Schotterdamm hinaufkletterte, um die Draisine herumging, nicht ohne sie einige Sekunden lang starr anzublicken. Er hatte ihn beobachtet, wie er dann auf der anderen Seite hinuntergestolpert war, der Strömung des Flusses zu, der sein Bett bis obenhin füllte, wie er sich gebückt hatte, das Wasser mit der Hand berührt, eine Handvoll davon geschöpft und in der hohlen Hand gehalten hatte, bis es zwischen den Fingern hindurchgeronnen war. Worauf er dann lange den verhangenen Horizont gemustert hatte, dort, wo der Strom auftauchte, als entspringe er unmittelbar dem wassergesättigten Dunst.
    Und dann hatte Monge beobachten können, wie der Zorme unter seinem Regenschirm und dem nach hinten gerutschten Hut laut redete, als wende er sich an jemanden, als stelle er jemandem eine endlose Frage. Seine unebene Stirn war zerfurcht vor Besorgnis.
    Als er sich dieses seltsame Verhalten des Zorme nochmals vor Augen führte, bemerkte Monge plötzlich, daß er unwillkürlich die Hände mit gespreizten Fingern auf die Scheibe gelegt hatte, um sich den Anblick der Girarde und des Würmchens zu ersparen, die durch die angehobene Brust so eng verbunden waren.
    Er drehte sich unvermittelt um. Die Girarde hob den Blick mit dem leicht schielenden Auge zu ihm auf. Sie stand auf, legte das Kleine in die Wiege zurück, nahm ihren Platz wieder ein und legte die Hände flach auf die Schenkel. Der Papé hielt den Kopf zur Seite geneigt. Offensichtlich bestand er immer noch darauf, neben dem schrillen Gelächter der älteren Kinder unter dem Tisch noch etwas anderes zu hören.
    Das Haus stöhnte unter dem Anbranden des Sturms, der seine Mauern ohrfeigte. Weit hinten in den Ställen hörte man die Postpferde sich aufbäumen.
    Aber der Alte hatte wahrscheinlich recht. Trotz des Urgetöses, das der Fluß und der Himmel mit vereinten Kräften veranstalteten, schien es doch, als mische sich ein flüchtiger Seufzer – Zeichen der Anwesenheit eines Menschen – in das Heulen des Sturms.
    Monge kehrte zum Feuer zurück. Einmal noch schickte er sich an, den Salzbehälter abzunehmen, ließ es dann jedoch sein.
    Daraufhin schritt er schwerfällig auf den Tisch zu, mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher