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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers
Autoren: Terry Pratchett
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der achtfache Vater. »Na und?«
    »Ich meine – kann ihm Feuer überhaupt etwas anhaben?«
    »Er besteht aus Holz, oder? Und Holz brennt, nicht wahr?«
    »Aber ist es richtig? Ich meine …«
    Oma Wetterwachs schloß die breite Tür, stemmte die Arme in die Hüften und schnaufte.
    »Hör mir mal gut zu, Gordo Schmied!«, sagte sie. »Zauberinnen sind ebenfalls nicht richtig! Derartige Magie eignet sich nicht für Frauen, nur für männliche Thaumaturgen. Es geht dabei um Bücher und Sterne und andere geheimnisvolle Dinge wie zum Beispiel Gehmetrie. Das ist zu hoch für deine Tochter. Und außerdem: Wer hat jemals von einer Zauberin gehört?«
    »Was ist mit Hexen?«, fragte der Schmied unsicher. »Und Beschwörerinnen?«
    »Hexen stehen auf einem ganz anderen Blatt«, behauptete Granny Wetterwachs kühn. »Ihre Magie kommt aus dem Boden, nicht vom Himmel. Und Männer könnten nicht damit umgehen. Sie kriegen einfach nicht den richtigen Dreh raus. Was Beschwörerinnen angeht …«
    Die Hebamme schnitt eine Grimasse. »Sie sind nicht besser als ihr Ruf. Vertrau mir: Verbrenn den Stab, begrab die Leiche und vergiß die ganze Sache.«
    Gordo Schmied nickte zögernd, trat an die Esse heran und betätigte den Blasebalg, bis Funken stoben. Dann wandte er sich dem Zauberstab zu.
    Er rührte sich nicht von der Stelle. »Er rührt sich nicht von der Stelle!«
    Schweiß perlte auf der Stirn des Mannes, als er an dem Holz zerrte. Es verharrte trotzig in der Ecke.
    »Laß es mich mal versuchen!«, schlug Granny vor und schob sich an ihm vorbei. Es knallte dumpf, und der Schmied nahm einen Geruch wahr, der an verbranntes Zinn erinnerte.
    Mit einem leisen Wimmern eilte Gordo durch die Kammer und beugte sich über Oma Wetterwachs, die an der gegenüberliegenden Wand zu Boden rutschte.
    »Wie geht es dir? Hast du dir was gebrochen?«
    Granny öffnete zwei Augen, die wie zornige Diamanten funkelten. »Ich verstehe. So ist das also.«
    »So ist was?«, fragte der Schmied verdutzt.
    »Hilf mir auf, du Narr, und besorg mir eine Axt!«
    Angesichts ihrer Stimme hielt es Gordo für angeraten, sofort zu gehorchen. Rasch lief er zu einem unförmigen Haufen in einer anderen Ecke des Zimmers, suchte mit zunehmender Nervosität und zog schließlich ein besonders großes Beil aus dem Gerümpel.
    »Gut. Und jetzt nimm die Schürze ab.«
    »Warum denn? Was hast du vor?«
    Der Schmied hatte das unangenehme Gefühl, daß er allmählich die Übersicht verlor. Granny seufzte verzweifelt.
    »Sie besteht aus Leder, du Idiot. Ich möchte sie um den Griff wickeln. Der Zauberstab soll mich nicht noch einmal auf diese Weise erwischen.«
    Der Schmied nahm die große Schürze ab und reichte sie der Hexe, sehr langsam und vorsichtig. Oma Wetterwachs nahm sie entgegen, prüfte das Leder, umhüllte damit den Stiel der Axt und holte mehrmals versuchsweise aus. Dann schlich sie durch den Raum – eine spinnenartige Gestalt im Schein der fast weißglühenden Esse –, näherte sich geduckt dem Zauberstab, hob ihre Waffe und ließ den geschärften Stahl mit einem triumphierenden Ächzen auf den magischen Widersacher herabsausen.
    Irgend etwas klickte. Irgend etwas schnatterte wie ein aufgeregtes Rebhuhn. Irgend etwas pochte.
    Dann herrschte Stille.
    Gordo Schmied hob zögernd die Hand und wagte es nicht, den Kopf zu bewegen, als er nach der Beilklinge tastete. Der Schaft fehlte, und das empört glitzernde Metall steckte einen Millimeter über Gordos linkem Ohr in der Tür.
    Oma Wetterwachs starrte auf den Axtgriff in ihrer Hand, verzog das Gesicht und schüttelte sich benommen. Es war gewiß nicht leicht, auf ein absolut unbewegliches Objekt einzuschlagen und nicht die Fassung zu verlieren.
    »Nnnaaa ssschön«, stieß sie hervor. »Innn diesemmm Falll …«
    »Nein«, sagte der Schmied fest und rieb sich das Ohr. »Ganz gleich, was du vorschlagen willst, die Antwort lautet: nein. Laß es gut sein. Ich schiebe einige Sachen in die Ecke. Niemand wird das Ding bemerken. Mach dir nichts draus, Granny. Ist doch nur ein Holzstab.«
     
    »Hast du eine bessere Idee? Vorzugsweise eine, bei der ich den Kopf auf den Schultern behalte?«
    Oma Wetterwachs starrte wütend auf den Zauberstab. Er gab vor, ihre keine Beachtung zu schenken.
    »Im Augenblick nicht«, gestand sie ein. »Aber wenn ich genügend Zeit habe, gründlich nachzudenken …«
    »Schon gut, schon gut! Nun, es wartet Arbeit auf mich. Ich muß einen Zauberer begraben und so weiter; du weißt ja, wie das
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