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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers
Autoren: Terry Pratchett
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entgegnete Billet. Die weiße Katze verließ ihren Schlafplatz, stolzierte würdevoll über den Boden, sprang auf den Schoß des Zauberers und rollte sich dort zusammen. Die dünnen Finger des alten Mannes streichelten sie geistesabwesend.
    »Tja, tja«, wiederholte der Schmied. »Ein Zauberer in Blödes Kaff, mhm?«
    »Ist nicht auszuschließen«, antwortete Billet. »Natürlich muß er zuerst die Universität besuchen. Aber er könnte es weit bringen.«
    Der Schmied betrachtete diese Idee von allen Seiten und entschied, daß sie ihm gut gefiel. Dann erinnerte er sich an etwas.
    »Einen Augenblick«, brummte er. »In diesem Zusammenhang hat mir mein Vater einmal etwas gesagt. Ich glaube, es ging dabei um folgendes: Ein Zauberer, der weiß, daß er nicht mehr lange lebt, kann seine, äh, Zauberei auf einen, äh, Nachfolger übertragen, äh. Ist das, äh, richtig?«
    »Du hast es bemerkenswert klar ausgedrückt, ja«, bestätigte der Magier. »Mit anderen, äh, Worten: Du wirst also, äh, sterben?«
    »In der Tat.«
    Die Katze schnurrte, als der alte Mann sie hinter den Ohren kraulte.
    Der Schmied wirkte verlegen. »Wann?«
    Der Zauberer überlegte. »In etwa sechs Minuten.«
    »Oh.«
    »Sei unbesorgt«, fügte der Thaumaturge hinzu. »Ich freue mich sogar darauf, wenn ich ganz offen sein darf. Wie ich hörte, ist das Sterben völlig schmerzlos.«
    Der Schmied runzelte die Stirn. »Woher willst du das wissen?«, erkundigte er sich.
    Der Zauberer überhörte diese Frage. Er sah aus dem Fenster zur Brücke und hielt im wogenden Dunst nach verräterischen Hinweisen Ausschau.
    »Nun«, seufzte der Schmied, »du solltest mir besser erklären, wie man einen Zauberer erzieht. Weißt du, in dieser Gegend gibt es nicht besonders viele …«
    »Das wird sich von allein regeln«, erwiderte Billet munter. »Die Magie hat mich zu dir geführt, und bestimmt kümmert sie sich auch um den Rest. Wie üblich. Habe ich da einen Schrei gehört?«
    Der Schmied starrte zur Decke hinauf. Im Zimmer über der Werkstatt füllten sich zwei kleine Lungenflügel mit Luft und ließen sie voller Begeisterung entweichen. Das dabei erklingende Geräusch übertönte sogar das laute Prasseln des Regens.
    Der Zauberer lächelte. »Laß ihn herbringen!«, schlug er vor.
    Die Katze richtete sich auf und blickte interessiert in Richtung Tür. Als der Schmied an die Treppe herantrat und etwas rief, sprang sie herunter, näherte sich den Stufen und schnurrte wie eine Bandsäge.
    Kurze Zeit später kam eine hochgewachsene weißhaarige Frau herein und zeigte dem Schmied ein deckenumhülltes Bündel. Er nickte knapp und führte sie hastig zum Zauberer.
    »Aber …«, begann sie.
    »Dies ist eine sehr wichtige Angelegenheit«, sagte der Schmied ernst. »Was tun wir jetzt, Herr?«
    Der Magier hob seinen fast zwei Meter langen armdicken Stab. Die Schnitzmuster schienen sich zu verändern, während der Schmied sie betrachtete, so als wollten sie ihm nicht zeigen, was sie darstellten.
    »Das Kind muß ihn halten«, sagte Drum Billet. Der Schmied nickte und tastete im Deckenbündel umher, bis er eine winzige rosafarbene Hand entdeckte. Behutsam führte er sie zum Stab, und die kleinen Finger schlossen sich fest um das Holz.
    »Aber …«, wandte die Hebamme ein.
    »Es ist alles in Ordnung, Granny«, sagte der Schmied. »Mach dir keine Sorgen!«
    Und an den Zauberer gerichtet: »Sie ist eine Hexe, Herr. Laß dich von ihr nicht stören. Was nun?«
    Der Thaumaturge schwieg.
    »Was sollen wir jetzt …«
    Der Schmied brach ab, beugte sich vor und musterte das Gesicht des alten Mannes. Billet lächelte, doch es blieb ein Rätsel, was ihn so sehr erheiterte.
    Der Schmied reichte den Säugling der Hebamme zurück, die inzwischen der Verzweiflung nahe zu sein schien. Dann löste er die dürren blassen Finger des Magiers so behutsam wie möglich vom Zauberstab.
    Er fühlte sich sonderbar schmierig an, und irgend etwas knisterte wie statische Elektrizität. Das Holz war fast schwarz, aber die geschnitzten Verzierungen wirkten ein wenig heller, und als er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, entwickelten sie ein beunruhigendes Eigenleben.
    »Bist du jetzt zufrieden?«, fragte die Hebamme. »Wie? O ja, eigentlich schon. Warum?«
    Die weißhaarige Frau zog einen Deckenzipfel beiseite. Der Schmied starrte auf eine bestimmte Stelle des winzigen Körpers und schluckte.
    »Nein«, hauchte er. »Er sagte …«
    »Und Leute wie er sind natürlich Experten auf diesem Gebiet, nicht
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