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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
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offen. Überrascht sah Madlen, wie sauber und hell seine Zähne waren, ein ungewöhnlicher Anblick für einen Mann in seinen Jahren. Er war sicher schon um die dreißig. Und vor allem war er groß, wesentlich größer als die meisten Männer, die sie kannte, bestimmt maß er sechs Fuß oder mehr, doch dabei wirkte er weder dünn noch schlaksig, sondern war von muskulöser Statur und so breit wie ein Fels. Er sah wirklich sehr kräftig aus. Kräftig genug, um …
    »Das Bier!«, platzte sie heraus.
    »Wie belieben?«
    »Äh … ich meine das frische Bier, das ich dir versprochen habe. Du hast es dir redlich verdient.«
    Sein Lächeln wurde breiter. »Das ist wirklich nicht nötig, bitte macht Euch keine Umstände.«
    »Doch, doch.« Im Geiste plante Madlen bereits den Ablauf der nächsten Stunde. Wenn sie sich sehr beeilte, konnte sie es noch schaffen. »Belohnung muss sein. Zumal es länger gedauert hat als vorgesehen. Warte hier, ich hol dir einen Becher voll. Und dann schneide ich dir in der Küche ein Stück Schinken ab. Den kannst du unterwegs essen.«
    Der Mann hob die geteilte Braue. »Unterwegs wohin?«
    »Zum Heumarkt. Da müssen die Fässer hin, und du sollst mir beim Entladen helfen. Äh, du hast doch noch Zeit?« Hoffnungsvoll sah sie ihn an. Er musste einfach Zeit haben! Entschlossen fügte sie hinzu: »Du kriegst einen halben Pfennig dafür. Einen!«, korrigierte sie sich, um mögliche Einwände gleich zu unterbinden.
    »Ein halber ist völlig ausreichend«, sagte der Mann. Er hatte eine angenehme Stimme, tief und ein wenig rau, und seine Art zu sprechen hatte tatsächlich nicht das Geringste mit der Ausdrucksweise eines armen, von der Hand in den Mund lebenden Tagelöhners gemeinsam. Er redete irgendwie … vornehm.
    Doch Madlen hatte keine Zeit, über diesen seltsamen Widerspruch nachzudenken. Sie befahl ihm ein weiteres Mal, auf sie zu warten, dann rannte sie in die Schankstube, stach ein Fass Bier an und füllte einen Becher ab, den sie in Windeseile zurück auf den Hof trug und dem Mann in die Hand drückte. »Der Schinken«, stieß sie hervor. Sie flitzte durch die Hintertür des Wohnhauses in die Küche, wo Irmla an der Feuerstelle stand und in der Suppe rührte, die schon seit dem frühen Morgen vor sich hin köchelte, ein undefinierbarer Eintopf aus Resten, die dem Geruch nach überwiegend aus Rüben und Kohl bestanden, so wie an den meisten Wintertagen.
    Madlen schnappte sich den Schinken aus dem Rauchfang und schnitt eine dicke Scheibe davon ab.
    »Da hat aber jemand Hunger«, meinte ihr Großvater, der an dem großen Tisch in der gegenüberliegenden Ecke des Raums saß und an einem Holzstück herumschnitzte. Cuntz war bereits hoch in den Siebzigern und mit zahlreichen Gebrechen geschlagen, unter denen seine zunehmende Vergesslichkeit noch das kleinste Übel war, doch sein Frohsinn war ungebrochen. Madlen liebte ihn aus tiefstem Herzen, er war ihr einziger Anverwandter, und sie war glücklich, ihn bei sich zu haben.
    »Hast du alles, was du brauchst, Großvater?«
    »Abgesehen von einem kleinen Schmatz hier auf die Backe.« Er grinste zahnlos und zeigte auf sein Gesicht. Madlen lief lachend zu ihm und küsste ihn auf die runzlige Wange, dann zog sie ihren Umhang vom Haken neben der Tür, warf ihn sich über und beeilte sich, wieder auf den Hof zu kommen.
    Der Fremde hatte sich neben die Hundehütte gehockt und tätschelte den alten Spitz. »Er ist blind«, sagte er. »Und zudem fast lahm. Als Hofhund taugt er nicht mehr viel.«
    Madlens Lächeln gefror. »Das tat er noch nie. Er war schon mal so gut wie tot, es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Seitdem kann er nicht mehr sehen und kommt kaum noch hoch. Ich weiß auch nicht, warum ich ihn noch habe.« Sie drückte dem Mann den Schinken in die Hand und ging voraus. Als er hinter ihr durch den Torbogen auf die Gasse trat, bemerkte sie, dass der Becher in seiner Hand noch voll war.
    »Schmeckt Euch mein Bier nicht?« Sie benutzte die höflichere Anrede, es geschah ganz von selbst, ohne dass sie darüber nachdachte.
    »Das kann ich nicht sagen, denn ich habe es nicht probiert.« Er blieb vor dem Fuhrwerk stehen. »Es ist sicher köstlich, aber … nun ja, es ist so: Ich mag kein Bier.« Vorsichtig stellte er den Becher zwischen seinen Füßen ab und klemmte die Schinkenscheibe hinter seinen Gürtel.
    »Ihr mögt kein Bier?«, vergewisserte Madlen sich ungläubig.
    »Damit will ich keineswegs andeuten, dass ich Eure Arbeit
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