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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
Autoren: Charlotte Thomas
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geringschätze«, versicherte er, während er Madlen, für sie völlig unerwartet, fest um die Hüften packte und mit einer einzigen raschen Bewegung auf den Kutschbock hinaufstemmte. Dann bückte er sich nach dem Becher, hob ihn auf und schwang sich neben Madlen auf die Bank. Er reichte ihr das Bier und ergriff die Zügel.
    Sie hatte sprachlos den fließenden und gut durchdachten Ablauf seiner Bewegungen verfolgt, und ihr war auch nicht entgangen, wie mühelos er sie hochgehoben hatte. Dass er die Zügel an sich genommen und ihr dafür den Becher überlassen hatte, gefiel ihr weniger, aber sie sagte nichts, sondern kostete stattdessen von dem Bier. Es war wunderbar frisch und mild, mit einer schwachen, aber sehr angenehmen Kräuternote. Sie gab sich selten mit der vorgewürzten Malzmischung zufrieden, die es in den beiden erzbischöflichen Kölner Gruithäusern zu kaufen gab. Streng genommen hätte auch sie ihre Gruit von dort beziehen müssen, es gab Vorschriften darüber, so wie über fast alles, was in Köln geschah und irgendwem Geld einbrachte. Aber wie viele Brauer mälzte und würzte sie lieber selbst.
    Vor der Biersteuer gab es jedoch letztlich kaum ein Entrinnen, denn neben dem Gruitgeld wurde auch eine Malz- und eine Büttensteuer als Bierpfennig erhoben, und weil sich damit nicht nur der Erzbischof, sondern auch die Stadt die Taschen füllen konnte, achteten ganze Legionen von Schätzern und Prüfern und Eintreibern darauf, dass alle Brauer ihr Scherflein zu dieser sprudelnden Geldquelle beitrugen.
    Madlen seufzte, sie tat sich plötzlich schrecklich leid. Und dabei war die Bierakzise nur ihre kleinste Sorge. Im Grunde konnte sie sich freuen, wenn sie überhaupt noch einmal welche bezahlen durfte.
    »Habt Ihr Kummer?«, fragte der Mann neben ihr.
    Madlen schrak aus ihren Gedanken. »Nein, mir geht es ausgezeichnet«, behauptete sie.
    Das Fuhrwerk war die Schildergasse hinuntergerumpelt, sie hatten schon fast Unter Wappensticker erreicht.
    »Was stört Euch am Bier?«, wollte sie unvermittelt wissen. »Ich dachte immer, alle Männer lieben es.«
    »Vielleicht liegt es daran, dass ich zu lange welches brauen musste.«
    »Ihr versteht Euch aufs Brauen?«, fragte sie überrascht.
    Er nickte. »Ich war viele Jahre fort. Im Krieg. Als es vor ein paar Jahren heimging, hat es mich nach Bayern verschlagen, dort habe ich eine Weile in einem Kloster der Augustiner gelebt. Für die Unterbringung und das Essen musste ich arbeiten. Viel stand nicht zur Auswahl.« Er zählte es auf. »Die Küche, die Schweine, das Rübenfeld, das Brauhaus. Ich habe mich fürs Brauen entschieden.«
    »Wie lange habt Ihr das gemacht?«, fragte Madlen neugierig.
    »Drei Jahre. In denen es nichts anderes zu trinken gab als Bier. Und nicht immer gutes, wie ich betonen möchte. Jedenfalls nicht im ersten Jahr, so lange dauerte es, bis ich herausgefunden hatte, wie man es richtig machte. Bis dahin wirkte das Bier oft wie Brechwurz. Sie hatten einen alten Mönch dort, der als Braumeister fungierte. Er tat alles Mögliche in die Gruit, bis hin zu Zutaten, mit denen man Leute umbringen kann.«
    Madlen nickte eifrig. »Ja, da muss man sehr vorsichtig sein, sonst hat man schnell Dollbier! Obwohl eine kleine Prise Bilsenkraut nicht schadet.« Schnell setzte sie hinzu: »Natürlich nur eine sehr kleine.«
    Der Mann warf ihr einen Seitenblick zu. »Ihr seid wohl sehr erpicht aufs Brauen, wie?«
    »Ich liebe es«, sagte sie schlicht. »Es ist mein Leben.«
    Er schnalzte und lenkte das Fuhrwerk um die Ecke, der Heumarkt kam in Sicht. »Euer Haar«, sagte er.
    »Was?«
    »Es ist offen. Nicht, dass es mich stört. Ich habe selten so herrliches Haar bei einer Frau gesehen. Aber ich nehme an, Ihr wollt gleich Geschäfte mit einem Händler machen. Vielleicht solltet Ihr …« Er machte eine zwirbelnde Geste.
    Madlen hatte bereits mit fliegenden Fingern angefangen, sich einen Zopf zu flechten. Sie hielt den Kopf gesenkt, ihre Wangen brannten vor Verlegenheit. Noch nie hatte sie sich in der Öffentlichkeit so vergessen! Nicht einmal die Huren vom Berlich gingen ohne Kopfbedeckung auf die Straße! Sie dachte hektisch nach. Auf dem Alter Markt gab es einen Gaddem, wo es fertig genähte Gebende zu kaufen gab, vielleicht könnte sie … Erschrocken fuhr sie hoch. Die Glocken der umliegenden Kirchen begannen, zur sechsten Stunde zu läuten! Sie würde es nicht schaffen!
    »Euer Unterkleid«, sagte der Mann neben ihr. »Reißt rundherum einen Streifen vom Saum ab.
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