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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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Unterstützung seitens der Öffentlichkeit versickern lassen würden. Die Behörden konnten es sich nicht leisten, die Zinsen lange hoch zu halten. Die Anleger konnten es sich leisten, länger zu warten als sie.
    Lamont sah die Schrift an der Wand und ließ die zweite versprochene Zinserhöhung ausfallen. Kurz vor Mitternacht nahm der Währungsausschuss der Europäischen Gemeinschaft Großbritanniens und Italiens Anträge an, ihre Währungen aus dem WKM herauszunehmen. In manchen von den ärmeren Volkswirtschaften der Gemeinschaft, die wie Spanien von den entsprechenden Bestimmungen der Kapitalmarktrichtlinie befreit waren, galten noch Kapitalkontrollen, sodass sie zwar ebenfalls zur Abwertung gezwungen waren, aber im WKM verbleiben konnten.
    Nun richteten die Spekulanten ihren Blick auf den Franc, die letzte große europäische Währung, die noch nicht gegen die D-Mark abgewertet worden war. Als der Maastricht-Vertrag bei dem Referendum am 20. September in Frankreich mit knapper Not den Sieg davontrug, begannen sich die Investoren zu fragen, ob die französische Regierung bereit sein würde, harte Maßnahmen zur Verteidigung des Francs zu ergreifen. Und das nicht ohne Grund: Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wollte Paris das Problem lieber durch niedrigere Zinsen in Deutschland als durch höhere Zinsen in Frankreich gelöst haben. Die französische Regierung drängte die deutsche Regierung und hoffte, diese würde die Bundesbank drängen.
    Das entscheidende Treffen zwischen dem französischen Finanzminister Jean-Claude Trichet (dem gleichen Jean-Claude Trichet, der später die Europäische Zentralbank leitete) und einer Phalanx von höheren deutschen Staatsvertretern fand am 22. September am Rande der Jahreshauptversammlungen des IWF und der Weltbank in Washington, D.C., statt. Trichet sagte zu Bundesbankpräsident Schlesinger – ähnlich wie 1978 Schmidt zu Emminger –, die Halsstarrigkeit der deutschen Notenbank gefährdet fünf Jahrzehnte deutsch-französischer Zusammenarbeit. Wieder einmal reichte die Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg aus, um die Bundesbanker einknicken zu lassen. Sie einigten sich auf eine gemeinsame Verlautbarung über die Unterstützung der Franc-D-Mark-Parität und auf zusätzliche Kredite für die Banque de France. Dann senkte die Bundesbank den deutschen Geldmarktzins. Danach ließ die Spannung nach. 136
    Zumindest ließ sie vorübergehend nach. Portugal und Spanien waren im November erneut gezwungen, abzuwerten, und im Mai des nächsten Jahres schon wieder. Offenbar waren der Escudo und die Peseta nicht so sakrosankt wie der Franc. Da andere Währungen auf seine Kosten wettbewerbsfähiger wurden, war der Druck auf Frankreich bald wieder da. Und da die Arbeitslosigkeit stieg, fragten Anleger wieder offen, ob die Franzosen die Courage haben würden, die Zinsen zu erhöhen, um den Franc zu verteidigen. Im Juni kamen Edouard Balladur als neuer Premierminister und Edmond Alphandéry als neuer Finanzminister. Dieser Führungswechsel gab weiteren Anlass zu Unsicherheit, die zusätzliche Kapitalabflüsse auslöste. Die Situation wurde schnell verzweifelt. Ende Juni bat Alphandéry um eine Dringlichkeitssitzung mit seinem deutschen Kollegen Theo Waigel. Waigel, der sich nicht in die Enge treiben lassen wollte, schützte andere dringende Geschäfte vor. Als sich der Bundesbankrat erneut weigerte, den Diskontsatz zu senken, kam es zu massiven Franc-Verkäufen. Allein in der letzten Juliwoche gab die Banque de France 32 Milliarden Dollar für Franc-Auf käufe aus, schaffte es aber nicht, die Märkte zu beruhigen. Auf einer Dringlichkeitssitzung am nächsten Wochenende beugten sich die Finanzminister und Notenbankdirektoren dem Unvermeidlichen und einigten sich darauf, die Bandbreiten des WKM von 2,25 auf 15 Prozent zu erhöhen. Somit durften die Währungen so weit schwanken, dass sie Spekulanten keine einseitigen Wetten mehr erlaubten.
    LUXEMBURGS R ACHE
    Doch ob dieser freizügigere WKM immer noch einen Weg zur Währungsunion darstellte, war ungewiss. Großbritannien und Frankreich schoben die Krise den hohen Zinsen der Bundesbank in die Schuhe. Deutschland hatte es ihrer Ansicht nach versäumt, sie für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung angemessen zu bezahlen. In den Augen der Deutschen waren die Franzosen und Briten von ihrer Disziplinlosigkeit zu Fall gebracht worden. Diese Debatte riss alte Wunden wieder auf. Sie warf erneut die Frage auf, ob sich derart verschiedene Länder bequem
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