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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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eine Währung teilen konnten.
    Angesichts all dieser Schuldzuweisungen bedarf es einer gewissen Erläuterung, wieso in den sechs Jahren danach neun europäischen Ländern der Übergang zur Währungsunion gelang. Die Erklärung beginnt mit der einfachen Tatsache, dass Rezessionen nicht ewig dauern. Nachdem Europa Anfang der 1990er-Jahre eine Rezession durchgemacht hatte, erfreute es sich nach 1993 einer Expansion. Diese wurde durch abgewertete Währungen gefördert, die der Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft einen Schub verliehen. Da die Wirtschaft wuchs, war alles einfacher. Vor allem war es leichter, die Haushaltsdefizite so weit zu senken, wie es für die Aufnahme in die Währungsunion verlangt wurde.
    Und ebenso wie der schwache Dollar zu Europas früheren Finanzproblemen beigetragen hatte, linderte der starke Dollar sie jetzt. Unter dem Einfluss von Finanzminister Robert Rubin schränkte die Clinton-Administration die Steigerung der Staatsausgaben ein. Amerikas Kassenlage besserte sich und das Vertrauen in seine Währung kehrte zurück. Der Dollar stieg und erhöhte dadurch die Wettbewerbsfähigkeit Europas noch weiter. Das bedeutete schnelleres Wachstum und geringere Steuerbelastung. Das bedeutete kräftiges Wachstum im Jahr 1997 – dem Jahr, in dem die Anwärter für die Währungsunion ihr jeweiliges Haushaltsdefizit auf drei Prozent des BIPs senken mussten. Das bedeutete, dass es Italien – das 1992 aus dem Europäischen Wechselkursmechanismus ausgeschlossen worden war – möglich war, wieder einzutreten. Es ist mehr als nur ein bisschen ironisch, dass ein starker Dollar dazu beigetragen hat, die Euro-Umstellung zu ermöglichen, wenn man bedenkt, dass ein schwacher Dollar Europa regelmäßig den Antrieb geliefert hatte, sich in diese Richtung zu bewegen.
    Damit die Währungsunion zustande kam, musste Europa diese Umstände aber noch ausnutzen. Zum Glück war das politische Umfeld dafür günstig. In Deutschland amtierte immer noch Helmut Kohl mit seinem starken persönlichen Engagement für die politische Integration. Er wurde erst im September 1998 abgewählt, als die Vorbereitungen für die Euro-Umstellung bereits abgeschlossen waren. In Frankreich war der Wunsch, einem Status quo zu entkommen, in dem Deutschland die Währungsbedingungen kontrollierte, durch die Peinlichkeiten der Jahre 1992 und 1993 noch verstärkt worden. Zudem galt es nach der Wiedervereinigung als dringender denn je, Deutschland friedlich in Europa zu integrieren, und die Vereinheitlichung der Währung war der leistungsfähigste Mechanismus, der dafür zur Verfügung stand. Die Währungsunion war von Anfang an ein politisches Projekt gewesen. Und am Ende behielt die Politik zum Guten oder Schlechten die Oberhand.
    In Deutschland ging wie immer das Gespenst der Inflation um, und die Bundesbank beschwor es bei jeder Gelegenheit. Um sich die Unterstützung oder auch nur die Zustimmung der Notenbanker zu sichern, musste man ihnen Zugeständnisse machen, teils symbolische, teils reale. Kohl sicherte sich die Zustimmung seiner Partner dafür, dass das Europäische Währungsinstitut, der Vorläufer der Europäischen Zentralbank, seinen Sitz in Frankfurt haben würde, wo auch die deutsche Notenbank ihren Sitz hat. Wenn man davon ausging, dass sich dann auch die EZB dort befinden würde, konnte es Frankfurt dazu verhelfen, das Finanzzentrum Europas zu werden. Waigel handelte einen Stabilitätspakt aus, der die Staaten verpflichtete, ihr Haushaltsdefizit nach Einführung des Euros auf drei Prozent des BIPs zu begrenzen. Deutschland sicherte sich die Zustimmung dafür, dass die neue Währung den Namen „Euro“ anstatt des eher französisch angehauchten „Ecu“ bekommen sollte. Es stellte sicher, dass der Gründungspräsident der EZB Wim Duisenberg aus den Niederlanden sein würde – einem Land, das jahrzehntelang strikt der deutschen Währungspolitik gefolgt war. Es machte Otmar Issing, einen Hardcore-Monetaristen und Angehörigen des Bundesbankdirektoriums, zum Chefvolkswirt der neuen Notenbank.
    Nachdem Frankreich und Deutschland an Bord waren, stellte sich nur noch die Frage, wer sonst noch mitfahren würde. In dem Szenario, das als das wahrscheinlichste galt, war das eine Handvoll von Deutschlands stabilitätsorientierten Nachbarn – verkörpert durch die Niederlande. Andere Länder könnten auch beitreten, aber erst wenn sie die Disziplin bewiesen hätten, die nötig war, um ihre Defizite zu begrenzen und ihre Schulden zu
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