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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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Ergebnis war das gleiche. Als das Land 1990 in den WKM eintrat, war das Pfund gegenüber der D-Mark ungewöhnlich stark. Die Bundesbank hatte die normale Versuchung, die Zinsen zu erhöhen, weil die Bundesrepublik immer noch die ehemalige DDR verdaute, eingeschränkt. Und die britische Wirtschaft befand sich auf dem Höhepunkt des Konjunkturzyklus’, was die Schwächen des industriellen Sektors des Landes verschleierte. Sobald die Bundesbank im November 1990 begann, die Zinsen zu erhöhen – und das tat sie nun aggressiv, um die verlorene Zeit aufzuholen –, begann der hohe Wechselkurs des Pfunds, weh zu tun.
    Da sich die Situation in einer heiklen Balance befand, konnte bereits ein kleiner Schock den Obstkarren umstürzen lassen. Dieser Schock kam ausgerechnet aus dem kleinen Dänemark. Anders als die meisten seiner Nachbarn hatte Dänemark den Maastricht-Vertrag zum Gegenstand eines Referendums gemacht. Am 2. Juni 1992 lehnten die Wähler den Vertrag in dem knappen Verhältnis von 50,7 zu 49,3 Prozent ab. Zwar ratifizierten sie ihn später nach einer zweiten Abstimmung, aber ganz egal: Vorläufig wurden die Aussichten auf eine Währungsunion düster. Und wenn es nicht zur Währungsunion kommen würde, würde der Anreiz für Staaten, ihre Wechselkurse stabil zu halten, damit sie sich für die Teilnahme qualifizieren, kleiner werden.
    Spekulanten, die diese Logik begriffen, schlugen zu und attackierten die Lira und das Pfund. Die übliche Verteidigung dagegen war eine Zinserhöhung, damit es für die Spekulanten teurer wurde, sich Geld zu leihen, um gegen eine Währung zu wetten. Aber die italienische Regierung war mit hohen Schulden belastet, die bei höheren Zinsen noch belastender wurden. 134 Im Vereinigten Königreich waren die Hypothekenzinsen an die Marktzinsen gebunden und die Hausbesitzer schrieen auf, als diese erhöht wurden. In Schweden – das zwar noch kein EU-Mitglied war, das aber die Krone an den WKM gebunden hatte – war das schwache Bankensystem das Problem. All das ließ Zweifel aufkommen, ob die Staaten bereit sein würden, diesen Kurs durchzuhalten.
    Am 16. Juli erhöhte die Bundesbank erneut den Diskontsatz – zum zehnten Mal in Folge – und lud dadurch Kapitalzuflüsse ein, die wieder dafür sorgten, dass sie ihre Geldmengenziele überschritt. Der Diskontsatz erreichte den höchsten Stand seit 1931. Mag sein, dass die Bundesbank die Schraube nicht anzog, um bewusst den Druck auf fragwürdige Kandidaten für die Währungsunion zu erhöhen, aber wenn ihr Handeln diese Konsequenz hatte, kann man sich kaum vorstellen, dass sie es bedauerte. Die neue britische Regierung unter John Major drängte die deutsche Regierung, nicht die Zinsen zu erhöhen. Im Juli schrieb Major an Kanzler Kohl und drang auf Zurückhaltung. Aber die deutsche Regierung betrieb ja gar keine Währungspolitik – das machte die Bundesbank. Und auf Druck war sie nicht gut zu sprechen.
    Bis August waren das Pfund und die Lira so weit gefallen, wie es die WKM-Regeln zuließen. Dann gab es auf einer Dringlichkeitssitzung im englischen Urlaubsort Bath noch einen letzten Versuch, eine Reaktion zu organisieren. Sie hätte in einer Verbindung aus der Abwertung der schwachen WKM-Währungen und einer Zinssenkung Deutschlands bestanden. Aber die Finanzminister konnten sich nicht darauf einigen, wer um wie viel abwerten sollte. Großbritannien und Frankreich fürchteten sich davor, sich mit Italien zusammenzutun, und traten Gesprächen über gemeinsame Realignments entgegen. Der britische Schatzkanzler Norman Lamont piesackte seine deutschen Kollegen heftig, was dazu führte, dass diese die Augenbrauen – und die Zinsen – hoben.
    In der zweiten Septemberwoche sickerte das Ausmaß von Soros’ Wette gegen das Pfund passenderweise an die Presse durch. Dann veröffentlichte die deutsche Finanzzeitung Handelsblatt am 15. September Auszüge aus einem Interview mit Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger, in dem er vage andeutete, dass „weitere Abwertungen nicht ausgeschlossen werden können“. 135 Da die Märkte in New York noch geöffnet waren, wurde der Druck auf die schwachen europäischen Währungen quälend. Die verzweifelte Bank of England erhöhte am nächsten Morgen den Leitzins von zehn auf zwölf Prozent und äußerte die Absicht, ihn noch weiter zu erhöhen. Aber dies beruhigte die Anleger nicht, denn ihnen war klar, dass die Auswirkungen auf Hypothekendarlehen ohne Zinsbindung und auf die Arbeitslosigkeit die
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