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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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Eigentümern zurückgegeben würde. Und nachdem Moskau zugestimmt hatte, konnte sich Frankreich nicht querstellen. Aber die Ungewissheit dauerte immerhin so lange, dass Mitterrand Genscher drohen konnte, er würde sich mit Thatcher und Gorbatschow verbünden, um die Wiedervereinigung so schwierig wie möglich zu machen. Das reichte Paris, um Bonn die Zustimmung abzunehmen, dass es zum nächsten Schritt übergehen würde, nämlich zur zwischenstaatlichen Konferenz über die Währungsunion 1990.
    Und so machte es den nächsten Schritt. Die Bundesbank bekam die Erlaubnis, die Satzung der Europäischen Zentralbank aufzusetzen. Wie vorherzusehen war, betonte sie die Unabhängigkeit, die Abschottung von politischer Einmischung und den Auftrag der Preisstabilität. Da die Wiedervereinigung inzwischen eine vollendete Tatsache war, verhärtete sich Deutschlands Haltung. Die neue Notenbank sollte wie die Bundesbank föderalistisch aufgebaut sein. Ihre Fähigkeit, staatliche Haushaltsdefizite zu finanzieren, sollte wie die der Bundesbank eingeschränkt sein. Bevor die Länder teilnahmen, sollten sie ihre Inflation, ihre Haushaltsdefizite und ihre Schulden senken. Das Haushaltsdefizit sollte höchstens drei Prozent und die Staatsverschuldung höchstens 60 Prozent des Nationaleinkommens betragen. Die Wechselkurse sollten stabil gehalten werden. Alle diese Bestimmungen gingen direkt in den Vertragsentwurf ein, der auf dem Gipfel im holländischen Maastricht 1991 verabschiedet wurde.
    Präsident Mitterrand holte in Maastricht zwar nur ein Zugeständnis heraus, dafür aber ein wesentliches: Die neue Währungsordnung sollte spätestens 1999 beginnen.
    VERWERFUNGSLINIEN
    Kaum hatten die europäischen Staatschefs diesen folgenschweren Schritt unternommen, da erzitterte der Boden unter ihren Füßen. Der Wechselkursmechanismus wurde von einem Erdbeben der Stärke sieben erschüttert. Seit mehr als fünf Jahren hatte es keine Realignments der Währungskurse mehr gegeben. Die Optimisten konnten behaupten, es sei gelungen, die Politik der Einzelstaaten mit den Geboten der Wechselkursstabilität zu versöhnen. Italien war von der großen Bandbreite, die den schwachen Geschwistern des Systems gewährt wurde, in das übliche 2,25-Prozent-Band gewechselt. Das Vereinigte Königreich war 1990 in den WKM eingetreten, nachdem Frau Thatcher endlich das Argument geglaubt hatte, dies sei ein schmerzloser Weg, die Inflation zu senken. 132 Nachdem Europa demonstriert hatte, dass es mit stabilen Wechselkursen leben kann, war es bereit für die Währungsunion.
    Man konnte das aber auch anders interpretieren, nämlich dass nicht die fehlende Notwendigkeit, sondern die fehlende Fähigkeit diktierte, dass es keine Realignments mehr gab. Die Schaffung des Binnenmarktes hatte es im Rahmen des Aufbaus eines integrierten Marktes nicht nur für Waren, sondern auch für Finanzkapital verlangt, dass Kapitalflusskontrollen beseitigt wurden. Die Richtlinie, welche die Liberalisierung der Kapitalflüsse verordnete, war am 1. Juli 1990 in Kraft getreten. 133 Da die Kapitalströme jetzt durch nichts mehr eingeschränkt wurden, gab es keinen Spielraum mehr, um Realignments zu organisieren. Wenn die Märkte Wind davon bekamen, dass ein Staat ein Realignment nach unten vorhatte, konnte es passieren, dass mehr Kapital in dieser Währung abfloss, weil Investoren sie hastig verkauften, bevor ihr Wert fallen würde. Wenn sie damit richtig lagen, ernteten sie enorme Gewinne. Und wenn sie sich irrten und sich die Währung nicht bewegte, verloren sie dabei nichts. Der ungarisch-amerikanische Investor George Soros mobilisierte ganz allein Milliarden von Dollar – das Meiste davon geliehen – und spekulierte damit 1992 gegen das Britische Pfund.
    Also konnten die Regierungen keine Realignments mehr ins Auge fassen, weil sie befürchteten, dadurch Gegenspekulationen anzuregen. Wenn Ungleichgewichte entstanden, gab es jetzt keine Möglichkeit mehr, den Druck entweichen zu lassen. Die inflationsanfälligen Staaten Südeuropas kamen nach 1987 insofern voran, als sie ihre Inflationsraten senken konnten. Aber die Auswirkungen der Inflation waren kumulativ. Schon wenn man eine Inflationsrate bestehen ließ, die nur leicht über der von Deutschland lag, ballte sie sich zu einem ernsten Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zusammen. Anfang der 1990er-Jahre war dies für Länder wie Italien zu einem großen Problem geworden.
    In Großbritannien war das Problem zwar anders gelagert, aber das
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