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Gelöscht (German Edition)

Gelöscht (German Edition)

Titel: Gelöscht (German Edition)
Autoren: Teri Terry
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Merkwürdig.
    Zugegeben, ich habe wenig Erfahrung, um diesen Eindruck begründen zu können. Ich bin 16 Jahre alt und weder langsam noch zurückgeblieben oder seit meiner Geburt in einem Schrank eingesperrt gewesen – zumindest soweit ich weiß –, aber das Slating macht das mit einem. Es nimmt einem alle Erinnerungen.
    Es dauert eine Weile, bis nicht mehr ständig alles zum ersten Mal geschieht. Erste Worte, erste Schritte, die erste Spinne an der Wand, der erste angeschlagene Zeh. Ganz einfach: erstes ALLES.
    Wenn ich mich heute also seltsam und unsicher fühle, könnte es einfach daran liegen.
    Ich kaue an meinen Nägeln, während ich hier sitze und auf Mum, Dad und Amy warte, damit sie mich aus dem Krankenhaus abholen, um mich nach Hause zu bringen. Aber ich weiß nicht, wer sie sind. Ich weiß nicht, wo zu Hause ist. Ich weiß gar nichts. Wie könnte das nicht … merkwürdig sein?
    Bzzzz : ein sanftes vibrierendes Warnsignal von dem Levo an meinem Handgelenk. Ich schaue nach unten: Ich bin auf 4,4 gefallen. Also esse ich ein Stück Schokolade, und mein Level steigt ganz langsam wieder an, während sich der Zucker in meinem Mund ausbreitet und ich beobachte, wie sich mein Levo-Wert verändert.
    »Mit so schwachen Nerven wirst du irgendwann dick.«
    Ich zucke zusammen.
    Dr. Lysander steht in der Tür. Sie ist groß und dünn und trägt einen weißen Kittel. Ihre dunklen Haare sind nach hinten gekämmt und auf ihrer Nase sitzt eine dicke Brille. Sie bewegt sich geräuschlos wie ein Geist und scheint immer schon vorher zu wissen, wann das Levo bei jemandem in den roten Bereich rutscht. Aber sie ist nicht wie die Schwestern, die einen mit einer Umarmung zurückholen. Nett würde man sie wohl nicht gerade nennen.
    »Es ist so weit, Kyla. Komm.«
    »Muss ich denn gehen? Kann ich nicht einfach hierbleiben?«
    Sie schüttelt den Kopf. Ein ungeduldiges Zucken in ihren Augen sagt » Das habe ich schon eine Million Mal gehört «. Oder zumindest 19.417 Mal, denn das ist die Nummer meines Levos.
    »Du weißt, dass das nicht geht. Wir brauchen das Zimmer. Komm.«
    Sie dreht sich um und geht durch die Tür. Ich nehme meine Tasche und folge ihr. Darin ist alles, was ich besitze – sie ist nicht schwer.
    Ehe ich die Tür schließe, blicke ich zurück in mein Zimmer. Ein Bett, zwei Kissen, eine Decke, ein Schrank. Das Waschbecken mit einer Schramme an der rechten Seite ist das Einzige, was dieses Zimmer von den endlosen Reihen von quadratischen Räumen auf meinem und den anderen Korridoren unterscheidet. Das Erste, woran ich mich erinnere .
    Neun Monate lang waren diese vier Wände die Grenzen meines Universums. Sie und Dr. Lysanders Büro, die Sporthalle und die Schule einen Stock tiefer, zusammen mit anderen wie mir.
    Bzzzz : Es vibriert an meinem Arm noch stärker als vor einigen Minuten. Mein Levo ist auf 4,1 gefallen.
    Zu niedrig.
    Dr. Lysander dreht sich um und schnalzt leise mit der Zunge. Sie beugt sich zu mir herunter, sodass wir auf Augenhöhe sind, und berührt meine Wange mit der Hand. Wieder ein erstes Mal.
    »Glaub mir, alles wird gut. Und wir werden uns ja alle zwei Wochen sehen.«
    Sie lächelt. Aber eigentlich spannt sie die Lippen über die Zähne und ihr Gesicht wirkt damit fremd. Als ob das Lächeln unsicher wäre, wie es überhaupt dorthin gelangt ist. Ich bin so überrascht, dass ich meine Angst vergesse und mein Levo aus dem roten Bereich steigt.
    Sie nickt, richtet sich auf und läuft den Flur hinab zum Lift.
    Wir fahren schweigend neun Stockwerke nach unten ins »Erdgeschoss «, dann gehen wir einen kurzen Gang entlang, bis wir zu einer weiteren Tür gelangen. Eine, hinter der ich noch nie gewesen bin – aus gutem Grund. Darüber steht »S & E«: Sachbearbeitung und Entlassung. Sobald man durch diese Tür tritt, ist man raus.
    »Geh nur«, sagt Dr. Lysander.
    Ich zögere und öffne die Tür nur einen Spalt. Dann drehe ich mich noch einmal um, weil ich »Auf Wiedersehen« oder »Bitte gehen Sie nicht« oder beides sagen will, aber mit einem leisen Rascheln des weißen Kittels und der dunklen Haare ist Dr. Lysander schon wieder im Lift verschwunden.
    Mein Herz schlägt viel zu schnell. Ich atme ein und aus und zähle dabei jedes Mal bis zehn, wie man es uns beigebracht hat, bis mein Puls wieder langsamer wird. Dann straffe ich meine Schultern und ziehe die Tür weiter auf. Hinter der Schwelle befindet sich ein langer Raum mit einer Tür am anderen Ende und Plastikstühlen an der Wand. Darauf sitzen
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