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Das Elfenportal

Titel: Das Elfenportal
Autoren: Herbie Brennan
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Anaïs… Martha und Anaïs…« Er sah aus, als finge er jeden Moment wieder zu weinen an.
    Henry ließ nicht locker. »Wie kannst du dir da sicher sein?«
    Sein Vater erzählte es ihm.
     
    Im Büro konnte man nach dem guten alten Tim Atherton die Uhr stellen. Wenn er sagte, er käme um neun, dann kam er um neun. Wenn er sagte, er ginge für eine halbe Stunde fort, dann konnte man sicher sein, dass er exakt nach einer halben Stunde wieder zurück war, nicht eine Minute früher, nicht eine Minute später. Gestern hatte er gesagt, er würde um fünf wieder zurück sein, aber dann wurde sein Termin unvorhergesehen abgesagt. Es gab keinen Grund, sich weiter draußen herumzutreiben, also war er um kurz vor drei wieder im Büro.
    Die Firma lag in einem dieser hohen Gebäude, die in den 1980er Jahren in ganz Großbritannien hochgezogen worden waren. Der Pförtner salutierte zackig, die Empfangsdame im Erdgeschoss schenkte ihm ein nettes Lächeln. Gelegentliche Besucher mussten sich ein Namensschild ausstellen lassen, das als Sicherheitsausweis diente, aber Tim ging schnurstracks zum Aufzug.
    Es dauerte eine Weile, bis er herunterkam, aber dann hatte er ihn für sich allein. Die Fahrt zum dritten Stock hinauf dauerte vielleicht fünfzig Sekunden. Er trat hinaus in den Empfangsbereich von Newton-Sorsen und grüßte Muriel, die ihm erzählte, dass seine Frau gerade gekommen sei und in seinem Büro auf ihn warte. Er hatte Martha nicht erwartet, aber manchmal schaute sie auf einen Sprung herein, wenn sie einen Einkaufsbummel machte. Anaïs würde ihr natürlich sagen, dass er vor fünf nicht zurück wäre – er hatte darauf verzichtet, extra von unterwegs wegen des geplatzten Meetings Bescheid zu sagen –, aber vielleicht erwischte er Martha noch, bevor sie wieder weg war.
    Er ging den mit Teppichboden ausgelegten Gang zu seinem Büro hinunter. Jim Handley kam aus einer Tür und krallte ihn sich wegen der neuen Präsentation. Bis er Jim wieder los war und den Rest des Ganges hinter sich gebracht hatte, war es sieben Minuten nach drei.
    Um zu seinem Büro zu gelangen, musste man das kleinere Büro von Anaïs Ward durchqueren, die ihn abschirmte, wie es die meisten Sekretärinnen mit ihren Chefs taten. Er war ein wenig überrascht, Anaïs nicht an ihrem Schreibtisch vorzufinden, aber nur ein wenig – weiter unten den Flur hinab stand ein Kaffeeautomat oder vielleicht war sie auch kurz aufs Klo gegangen. Viel überraschender fand er, dass auch Martha nicht da war. Dann hätten sie einander doch eigentlich im Fahrstuhl über den Weg laufen müssen. Aber vielleicht hatte sie ja auch die Hintertreppe genommen, das tat sie manchmal, der Gesundheit wegen.
    Wenn er nicht da war, schloss er sein Büro immer ab wegen der vertraulichen Unterlagen dort drinnen, also zog er das Schlüsselbund aus der Tasche, während er das Vorzimmer durchquerte. Es dauerte eine, vielleicht auch zwei Sekunden, dann war der Schlüssel im Schloss und die Tür offen. Seine Frau und seine Sekretärin waren beide in seinem Büro. Sie lösten sich erschrocken voneinander, als die Tür aufging. Sie hatten sich geküsst.
    »Vielleicht war es bloß… du weißt schon, aus Freundschaft«, hatte Henry überlegt, dem speiübel geworden war. »Frauen küssen sich doch ständig.«
    »Das war nicht bloß aus Freundschaft«, erklärte sein Vater entschieden.
    Nach einer Weile fragte Henry: »Du hast es also erst gestern erfahren?«
     
    Es lief zwangsläufig auf eine Scheidung hinaus. Nach dem, was sein Vater ihm erzählt hatte, ging das gar nicht anders. Das Komische war nur, dass Papa nichts von einer Scheidung gesagt hatte. Oder von einer Trennung oder sonst etwas in der Art. Aber das konnte sich heute Abend ändern, nach seinem Gespräch mit Mama. Er konnte ja wohl kaum einfach ignorieren, was geschehen war. Außer natürlich, er hoffte, dass Mama Schluss machte damit. Konnte man aufhören, lesbisch zu sein? Henry war dermaßen verunsichert, dass er das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
    Diesmal machte Mr Fogarty die Tür so rasch auf, dass man hätte meinen können, er habe dahinter gestanden. »Du bist spät dran«, sagte er. »Und du siehst aus wie ausgekotzt.«
    »Tut mir Leid«, murmelte Henry. »Ich musste noch was für meinen Vater erledigen.«
    »Willst du reden oder willst du anfangen?« Mr Fogarty war für einen alten Mann ziemlich drahtig, dafür hatte er kein einziges Haar mehr auf dem Kopf, und an nassen Tagen tat ihm die rechte
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