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Das Elfenportal

Titel: Das Elfenportal
Autoren: Herbie Brennan
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Weggehen.
    Tim sah auf seinen Teller und dann Henry an. »Du willst wirklich nichts abhaben?«
    Henry überlief es kalt. Er griff zum Messer und schnitt das Brötchen auf. Je schneller sie anfingen, desto schneller hatten sie es hinter sich. »Ich will nur, dass du mit mir redest, Papa.«
    »Ja«, sagte sein Vater. »Das willst du wohl.«
     
    Tim Atherton hätte seinem Sohn am liebsten gar nichts gesagt. Aber er redete. Er stocherte in seinem Frühstück herum und redete, und als er erst einmal angefangen hatte, schien er gar nicht mehr aufhören zu können.
    »Du weißt ja, dass deine Mutter und ich seit einiger Zeit… Probleme haben… Oder, Henry?« Henry wusste es nicht. Oder jedenfalls erst seit heute Morgen. Er machte den Mund auf, um das zu sagen, als sein Vater hinzufügte: »Natürlich weißt du das, du bist ja nicht blöd. Und du bist auch kein Kind mehr. Du musst die Anzeichen mitbekommen haben – sie sind weiß Gott nicht zu übersehen.«
    Henry hatte sie aber übersehen. Zu seiner tiefen Beschämung löste sich eine Träne aus dem Auge seines Vaters und lief ihm die rechte Wange hinab. Das Schlimmste war, dass Papa es nicht einmal merkte. Da er nicht wusste, was er hätte sagen sollen, wartete Henry ab. Schließlich fuhr sein Vater fort: »Ich hab keine Ahnung, ob du schon alt genug bist für solche Gespräche, aber vor ein paar Monaten fing unsere… Beziehung zu kriseln an. Na ja, vielleicht auch schon ein bisschen früher. Deine Mutter, sie… sie wirkte so anders. Es wurde ziemlich deutlich, dass sie nicht mehr mit dem Herzen dabei war, was unsere Ehe anging. Das… das wirst du wissen. Es war ja kaum zu übersehen. Zu der Zeit habe ich angefangen, immer an Aisling und dir herumzumeckern. Was mir Leid tut. Aber ich konnte nichts dagegen tun.«
    Tja, du hast es ja wissen wollen, dachte Henry. Ihm war nicht aufgefallen, dass sein Vater angefangen hatte, an Aisling und ihm herumzumeckern, jedenfalls nicht mehr als sonst und meistens nur dann, wenn sie es verdient hatten. Er hielt die Augen auf den Teller gerichtet.
    »Tja«, sagte sein Vater. »So ist das also.«
    Das war es? So ist das also. Henry sagte leise: »Du musst mir das mit Mamas Verhältnis erzählen, Papa.«
    Sein Vater seufzte. Er sah erschöpft aus, aber merkwürdigerweise auch erleichtert. »Nicht zu fassen, hm? Es will mir immer noch nicht in den Kopf.« Er richtete sich in seinem Stuhl auf und schob den Teller von sich. Henry fiel auf, dass er weder eines der trockenen Spiegeleier noch die eklige Niere gegessen hatte. Henry holte tief Luft. »Wer ist der andere?«, fragte er. Sein Vater sah ihn ausdruckslos an. »Welcher andere?«
    »Der Mann, mit dem Mama ein Verhältnis hat.« Der starre Blick seines Vaters war fast zum Fürchten. »Ich hab’s dir doch schon erzählt, Henry. Hast du nicht zugehört? Es ist kein Mann. Deine Mutter hat ein Verhältnis mit meiner Sekretärin Anaïs.«
    Die Worte waren heraus und hingen in der Luft wie ein Nebelschleier.
     
    Sein Vater wollte ihn noch bei Mr Fogarty absetzen, aber Henry sagte, er wolle lieber laufen. Er hielt sich an die Nebenstraßen, die dermaßen leer waren, dass es schon unheimlich wirkte. Während er ging, dachte er nach. Er hatte das Gefühl, sich auf einer Insel zu bewegen, die in jede Richtung ein paar Meter weit reichte und hinter der die Welt zu Ende war. Auf dieser Insel, die sich beim Gehen mit ihm mitbewegte, spielte er immer wieder das Gespräch mit seinem Vater durch.
    Henry sagte: »Du willst mir weismachen, Mama hätte ein Verhältnis mit einer anderen Frau?«
    Der Blick seines Vaters war wirklich mitleiderregend. »Ja. Ich weiß, es… es… es ist…«
    Henry sagte: »Aber Mama und du – ich meine, sie hat Kinder. Aisling und mich. Wenn sie… du weißt schon… dann wäre sie ja lesbisch. Papa, das ergibt doch keinen Sinn!«
    Sein Vater rutschte unruhig hin und her. Offenbar war ihm das alles noch viel peinlicher als Henry. »So simpel ist das nicht, Henry. Als Lesbierin wird man nicht einfach geboren. Das heißt, manchmal schon, aber eben nicht immer. Und es ist auch nicht entweder oder. Manche Menschen merken jahrelang nicht, dass sie sich eigentlich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen.«
    Henry kam das wenig einleuchtend vor. »Ja, aber Mama hat Kinder gekriegt!«, sagte er noch einmal.
    Sein Vater rang sich ein mattes Lächeln ab. »Kinder kriegen ist nicht schwer«, sagte er. Das Lächeln verschwand. »Ich fürchte, es gibt keinen Zweifel. Martha und
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