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Das Elfenportal

Titel: Das Elfenportal
Autoren: Herbie Brennan
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hätten das ganze Haus zusammenschreien können, ohne dass er es mitbekam. Vielleicht hatte Papa wirklich im Gästezimmer geschlafen. Vielleicht hatte Mama ihn dorthin geschickt. Dann musste es schlimm sein – soweit er wusste, hatten sie noch nie getrennt geschlafen.
    Plötzlich kam Henry der Gedanke, ob sein Vater vielleicht eine andere Frau hatte. Viele Chefs schliefen mit ihren Sekretärinnen. Vielleicht war der Streit darum gegangen. Auf einmal überlief ihn ein Frösteln. Eine andere Frau bedeutete nichts Gutes. Ehepaare ließen sich scheiden wegen anderen Frauen.
    Henry sah verstohlen zu seinem Vater. Er sah dünner und älter aus in letzter Zeit, mit Sorgenfalten auf der Stirn und um die Augen herum. Wenn er wirklich mit Anaïs schlief, dann machte es ihn nicht gerade glücklicher. Aber es konnte nicht sein, dass er mit Anaïs schlief – Papa doch nicht. Er war einfach nicht der Typ dazu.
    Seine Mutter sagte: »Gehst du heute Abend nicht rüber zu Charlie?«
    Einen Moment lang war Henry nicht klar, dass sie mit ihm redete. Dann kam er zu sich und sagte: »Ja. Ja, ich denke schon.«
    »Dann wirst du wohl von Mrs Severs etwas zu essen bekommen – wie meistens.«
    »Ja, ich hab gedacht – «
    Aber seine Mutter hatte sich schon wieder seinem Vater zugewandt. »Ich hab gedacht, wenn du heute Abend ein bisschen früher Schluss machst, dann könnten wir einen Happen essen zusammen, vielleicht irgendwo auswärts. Essen gehen, meine ich. Aisling kommt erst am Wochenende vom Reiterhof zurück. Henry ist bei seiner Schulfreundin. Dann wären wir beide ganz unter uns.« Sie fuhr wieder zu Henry herum. »Du hättest doch nichts dagegen, oder? Wenn du bei den Severs’ Abendbrot essen würdest?«
    »Nein«, sagte Henry. »Ich kann auch da schlafen, wenn ihr wollt.« Er übernachtete öfters bei den Severs’, aber seine Mutter ging nicht darauf ein, was vermutlich hieß, dass sie es nicht wollte. Tja.
    Sein Vater warf einen Blick auf die Uhr. In einer halben Stunde ging sein Zug. »Ich glaube, das wäre eine sehr gute Idee. Ich ruf dich nachher an.« Seine Stimme klang gezwungen.
    Spannung hatte sich über die Küche gelegt wie eine dicke Decke. »Schade, dass ich heute zu Mr Fogarty muss, heute ist es eigentlich viel zu schön«, versuchte Henry die Stimmung etwas anzukurbeln.
    »Ich dachte, wir könnten reden«, erklärte seine Mutter, an seinen Vater gewandt. »Über… Verschiedenes.«
    Der Vater schloss kurz die Augen, dann sagte er: »Ich sollte wohl besser mal los.«
    »Du hast noch gar nicht gefrühstückt«, wandte Mama ein.
    »Ich hab Kaffee getrunken«, erwiderte Papa. Was stimmte, wenn auch nur eine Tasse.
    »Ich mach dir was zurecht«, sagte Mama. Ihr Stuhl scharrte über die Fliesen, als sie aufstand. »Du hast noch viel Zeit.«
    »Ich habe nicht viel Zeit«, sagte Papa entschieden. »Wenn ich jetzt nicht losfahre, verpass ich den Zug.« Er stand auf. Für einen klitzekleinen Moment standen sie einander gegenüber, ganz nah. Dann blickte Papa weg und murmelte: »Ich muss los.«
    »Kannst du mich bei Mr Fogarty absetzen, Papa?«, fragte Henry rasch. Er vermied es absichtlich, seine Mutter anzusehen – aus irgendeinem Grund fühlte er sich schuldig, wenn er Partei für einen von beiden ergriff.
    »Ich hab gedacht, du wolltest erst heute Nachmittag zu Mr Fogarty«, sagte seine Mutter scharf.
    »Nein, schon am Vormittag, Mama«, sagte Henry und sah sie immer noch nicht an.
    »Du hast auch noch nicht gefrühstückt.«
    »Hab ich wohl.« Er zeigte auf die leere Cornflakesschale.
    »Das reicht nicht.«
    »Ich hab jede Menge Bananen reingetan, Mama«, sagte Henry. »Außerdem kann ich bei Mr Fogarty mitessen. Er hat gern Gesellschaft beim Essen.«
    »Mr – «
    »Du wirst schon jetzt gleich kommen müssen, wenn ich dich mitnehmen soll«, mischte Papa sich ein.
    »Tschüs, Mama«, sagte Henry. Er ignorierte ihren verletzten Blick und küsste sie auf die Wange.
    Papa küsste sie überhaupt nicht zum Abschied.
     
    »Worum ging es da eigentlich gerade, Papa?«, fragte Henry, als er sich anschnallte.
    Sein Vater sagte nichts, fuhr aber viel zu schnell und ohne richtig zu gucken aus der Auffahrt. Henry fiel auf, dass Mama nicht wie sonst in der Tür stand und ihnen hinterherwinkte.
    Henry saß nervös auf dem Beifahrersitz. Er konnte es nicht leiden, wenn seine Eltern sich stritten. Die dicke Luft hätte man mit dem Messer schneiden können und nun hatte Papa schlechte Laune. Die beiden hatten nicht oft Streit
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