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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück
Autoren: dieverse Autoren
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Mischung aus mathematischen Formeln, philosophischen Betrachtungen und psychologischen Beobachtungen. »Das Pflichtgefühl gegenüber der Gesellschaft gestattet es, das erste Glied der Gleichung gegenüber den anderen zu Vernachlässigen«, schrieb Arsik beispielsweise. Es war ein seltsamer mathematischer Apparat. Arsik war tatsächlich ein Physiker der Poesie.
     Ich erhielt drei Briefe von Katja. Darin berichtete sie, wie sie sich eingelebt hatten, sie beschrieb das Städtchen und ihre neuen Bekannten. Von Arsiks Arbeit schrieb sie nichts.
     In den Antwortbriefen erzählte, ich von unserer Arbeit, und ich erinnerte mich nostalgisch an die Zeit, als wir gemeinsam die Zauberspektren betrachtet hatten.
     Der Winter verging. Wir bauten einen Prototyp der Spiegelkonstruktion und legten mehrere Projekte von optischen Rechnern vor.
     Eigentlich hatten wir jetzt alles, um einen prinzipiell neuen Rechner mit großartiger Operationsgeschwindigkeit zu schaffen. Nur war das aus irgendeinem Grunde schon nicht mehr gefragt.
     Gleichzeitig stellten wir Arsiks Anlage wieder her. Es gelang uns zwar nicht, die ursprüngliche Leistung zu erreichen, aber Gutachten über Verhaltensweisen und seelische Zustände von Versuchspersonen lassen sich völlig zufriedenstellend anfertigen. Wir sind imstande, die wahren Motive zu erkennen, vermögen Egoismus, Gemeinheit, Eitelkeit, Angst schön im Keimzustand zu entdecken. In erster Linie natürlich bei uns selbst.
     Gleichzeitig erleben wir Euphorie.
     Im Frühjahr fand ich zufälligerweise in einer Jugendzeitung eine Reportage über das Institut, in dem Arsik arbeitete. Auf einem Foto erkannte ich Schurotschka und Katja. Sie trugen weiße Kittel und saßen inmitten einer Schar Kinder im Vorschulalter. Alle Kinder hielten Kästchen mit Okularen in der Hand, die Stereoskopen ähnelten, und blickten hinein. Die Unterschrift lautete: »Erzieherinnen des Rindergartens Nr. 3, Katja Beljajewa und Schura Tomaszewicz, erteilen ästhetischen Unterricht mit einem Gerät von A, N. Tomaszewicz.«
     Meine beiden ehemaligen Laborantinnen hatten also ihre Familiennamen geändert.
     In der Reportage wurde von Arsiks Geräten berichtet, die man in Kindergärten und Schulen anwendete. Es war die Rede von der ästhetischen Einwirkung des Lichts. Von Ethik vorläufig kein Wort.
     Ich begriff endlich, von welchem Ende Arsik angefangen hatte. Sie sollten sein Licht sehen. Möglichst viele sollten das tun. Wenn viele zu klugen und ehrlichen Menschen werden, könnten sie etwas erreichen.
     Möglicherweise schon ohne Arsik.
     Übrigens habe ich ihn neulich unverhofft gesehen. Nicht Arsik selber, sondern sein Spiegelbild. Es war in dem Park, wo sich der Pavillon mit den Zerrspiegeln befindet.
     Als ich einmal dort vorbeiging, erinnerte ich mich, wie ich Arsik vor dem Spiegel erblickt hatte. Ich zahlte fünf Kopeken und betrat den Pavillon. Alle Spiegel hingen an ihrem Platz. Ich schlenderte zwischen ihnen hindurch und betrachtete die verzerrten Spiegelbilder.
     Wie bin ich wirklich? Hier schmal, dort breit, mit kurzen Beinchen, hier habe ich ein riesengroßes Gesicht und da ein kleines. Hier winde ich mich wie eine Schlange, dort stehe ich auf dem Kopf. Meine Form verändert sich ständig, und trotzdem ist etwas da, Woran ich in den unwahrscheinlichsten Metamorphosen zu erkennen bin.
     In dem Spiegelkabinett war niemand außer mir. Die Kassiererin döste auf einem Stuhl am Eingang vor sich hin. Es verwunderte sie nicht, daß ein erwachsener Mann mit ernster Miene von Spiegel zu Spiegel geht und sich betrachtet.
     Auf einmal erblickte ich in einem Spiegel Arsik. Er stand da und lächelte über das ganze Gesicht, wobei er mich ansah. Seine Augen strahlten. Einen Moment erinnerte ich mich unwillkürlich an das Bild, das mir Arsik zuerst gezeigt hatte der Junge, der über einer grünen Wiese schwebt. Vor Überraschung trat ich einen Schritt zurück, und Arsik verschwand aus dem Spiegel. Dann suchte ich behutsam den Punkt, von dem aus er zu sehen war, und betrachtete ihn. Arsik stand unbeweglich da – eine Momentaufnahme, die im Spiegel festgehalten war.
     Ich kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder – Arsik lächelte weiter. Dann betrachtete ich die benachbarten Spiegel. Und da wurde mir bewußt, daß ich am Ausgangspunkt von Arsiks großartiger Mnemokonstruktion stand. Drei Zerrspiegel waren so angeordnet, daß sie zusammen diesen Bildspeicher ergaben.
     »Entschuldigung«, wandte ich mich an die
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