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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück
Autoren: dieverse Autoren
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beherbergen imstande ist. Niemand errät, daß mit meinen Augen eine andere Welt, ein fremder Planet, auf sie schaut und sich in einem fort wundert.
     Auch Fuatu-Muatu wundert sich, jenes Geschöpf ohne Vergangenheit und Gegenwart, jenes Modell von Verstand und Gefühlen, die angestrengt arbeiten und dennoch nicht imstande sind, einen Kontakt zwischen sich und den anderen herzustellen.
     »Nein, ich bin kein Fuatu-Muatu!« flüstere ich oft vor mich hin.
     Und warum nicht? Weil ich fühle, daß mich die Empfindung seltsamer und unbekannter Dinge von den Menschen unterscheidet, unter denen ich lebe.
     »Nein, ich bin nicht Fuatu-Muatu!« sage ich mir. Warum nicht? Ich bin keineswegs so ganz davon überzeugt. Manchmal scheint mir, daß ich eine künstliche Schöpfung, das Modell eines lebenden Wesens bin, womit die Wissenschaftler das Unrealisierbare zu verwirklichen suchen, nämlich mit Hilfe einer Person zwei Welten zu verbinden, die Erde und die Dilnea.
     Habe ich Heimweh nach meinem Planeten? Ja, ich leugne es nicht, ich sehne mich nach ihm. Und wenn ich mich in meiner Muttersprache unterhalten mochte, öffne ich ein Etui und nehme ein Klümpchen Materie heraus, das die innere Welt der abwesenden Eroja beherbergt.
     »Eroja«, frage ich, »hörst du mich?«
     »Ich höre«, antwortet die Materie, die sich augenblicklich in ein Wesen verwandelt, in Gedanken, in Klang, in Leben.
     »Hast du geschlafen oder gewacht?«
     »Weshalb fragst du mich danach? Du weißt, daß ich warte, stets warte. Ich warte, wenn ich schlafe, und warte, wenn ich wach bin.«
     »Worauf wartest du denn?«
     »Ich warte, daß du mit mir sprichst. Aber du sprichst jetzt so selten mit mir. Erzähle mir von dem Planeten hier!«
     »Ein andermal.«
     »Warum schiebst du es immer hinaus?«
     »Ich weiß nicht, meine Liebe. Ich fürchte, daß ich dir und mir selbst etwas vormache. Ich weiß noch sehr wenig von diesem Planeten. Und außerdem mag ich mit dir nicht darüber sprechen, was hier los ist. Du hilfst mir, mich zu erinnern.«
     »Ich weiß. Doch deine Worte tun mir weh. Existiere ich etwa nur in der Vergangenheit? Gibt es mich denn jetzt gar nicht mehr?«
     Ich hülle mich in Schweigen. Was soll ich ihr sagen? Sie ist doch hier und gleichzeitig weit fort. Ihr Sein, festgehalten in diesem Kristallstückchen, weiß nicht, was »hier« und »jetzt« bedeuten. Doch es lohnt nicht, sie daran zu erinnern. Wozu? Sie ist ja so leicht gekränkt.
     Wenn unser Gespräch zu Ende ist, stecke ich sie wieder in das Etui, das ich so weit wie möglich weglege, damit es nicht der Reinemachefrau unter die Augen gerät, wenn sie das Zimmer saubermachen kommt.

    2

    Fuatu-Muatu lebt unter lauter sprechenden Dingen.
     Die Tür gesteht ihm: »Verzeih. Ich war so unvorsichtig, dir fast den Finger zu quetschen.«
     Der Tisch streitet sich abends mit ihm herum: »Unsinn! Ich weiß das besser. Ich bin der Natur näher. Ich bin aus Brettern gemacht, die man aus einem lebenden Bäum herausgesägt hat, aber du bestehst nur aus synthetischem Material.«
     Als die Wissenschaftler Fuatu-Muatu konstruiert hatten, waren sie bemüht, ihm eine entsprechende Umgebung zu geben. Zu seiner Welt wählten sie den Traum, doch früher oder später würden sie ihn wecken müssen.
     Mir scheint es auch manchmal, als träumte ich. Das Fenster sagt zu mir: »Ich bin das Fenster! Schau, welch ein durchsichtiges Blau. Und die Ferne! Was kann lockender sein als die Ferne!«
     Die Ferne! Mit diesem Begriff war ich vertraut wie niemand sonst. Ferne, Raum… Über dieses Thema habe ich mich mit Kant in seinem Arbeitszimmer unterhalten, und der Sekretär des Philosophen, Herr Jachmann, wartete darauf, wann wohl unser ausgedehntes Gespräch zu Ende gehen würde. Kant war vor allem über zwei Erscheinungen erstaunt: über den gestirnten Himmel über uns und das moralische Gesetz in uns. Ich aber wunderte mich über die Ferne, über die Unendlichkeit des Raumes. Und über den Raum wußte ich weit mehr als Herr Jachmann und als Kant. Und über die Zeit ebenfalls. Doch über meine persönliche Bekanntschaft mit Kant muß ich noch schweigen.
     Einmal habe ich mich versprochen. Das war während eines Seminars über die Geschichte der Philosophie. Ich führte an, was Kant damals in seinem Arbeitszimmer ganz leise gesagt hatte, damit Herr Jachmann es nicht hörte. Professor Matwejew, ein großer Kenner der deutschen klassischen Philosophie, unterbrach mich: »Das hat Kant nicht
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