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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück
Autoren: dieverse Autoren
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eine Erzählung geschrieben? Die habe ich nicht gelesen.«
     Tunjawskis Gesicht drückte Unzufriedenheit aus. »Die haben Sie nicht gelesen? Weshalb, zum Teufel, fragen Sie mich dann nach der ausgedachten Dilnea? Alles, was ich darüber zu sagen hatte, habe ich in meiner Erzählung gesagt.«
     »Ich werde sie unbedingt lesen. Aber mich wundert, daß Sie sie so beharrlich als ausgedacht bezeichnen!«
     »Ich habe sie ausgedacht.«
     »Sie behaupten da ja allerhand. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es sogar kränkend. Stellen Sie sich vor, ich komme zu Ihnen und Sage, daß ich mir die Erde ausgedacht habe, wahrscheinlich würden Sie böse auf mich sein.«
     »Auf der Erde bin ich geboren. Hier lebe ich.«
     »Und ich bin auf der Dilnea geboren. Wie gefällt Ihnen das?«
    Er lachte, aber diesmal ehrlich, ohne Pose.
     »Das gefällt mir. Und wieso? Es schmeichelt meiner Autoreneitelkeit. Doch außer mir gibt es noch den gesunden Menschenverstand, die Logik. Und der Logik kann das kaum gefallen.«
     »Beunruhigen Sie sich nicht. Die Logik wird nicht beleidigt. Es ist eine Tatsache. Und was könnte der gesunde Menschenverstand gegen eine augenscheinliche Tatsache einzuwenden haben?«
     »Augenscheinlich?« Er zuckte mit den Schultern. »So eine schmeichelhafte Bemerkung habe ich noch niemals gehört. Ich habe die Dilnea also so überzeugend beschrieben, daß Sie sie für ebenso eine Realität halten wie die Erde.«
     »Ich habe Ihre Erzählung nicht gelesen. Leider habe ich sie nicht gelesen. Und so kann ich zunächst die Genauigkeit Ihrer Beschreibung nicht beurteilen. Doch ich erinnere mich nur zu gut an die Dilnea. Ich bin dort geboren.«
     Er sah mich an, ohne jene Gefühle zu verbergen, die gleichzeitig in ihm wach wurden. Unverständnis, Argwohn und plötzliche Vermutungen verwirrten ihn. All das las ich auf seinem Gesicht.
     »Soso«, sagte er und stand auf: »Sie sind also auf dem Planeten geboren, den ich ausgedacht habe? Amüsant! Doch gestatten Sie mir, Sie anzufassen und mich zu überzeugen, daß Sie kein Phantom, sondern eine Realität, sind.«
     Er berührte mich mit seinen langen, eleganten Fingern und zwickte mich dabei, zwickte mich ziemlich schmerzhaft. »Ja, Sie sind eine Realität. Aber was hat Sie hierhergeführt?«
     »Die gleiche Frage hat mir Immanuel Kant gestellt. Allerdings in delikaterer Form. Doch während ich zu Kant ging, um gnoseologische Probleme mit ihm zu erörtern, komme ich zu Ihnen aus einem ganz anderen Grund. Ich möchte Sie fragen, woher Sie Ihre Kenntnisse über die Dilnea haben.«
     »Ich habe Ihnen doch schon geantwortet. Die Dilnea habe ich mir ausgedacht. Sie existiert nur in meinem Kopf und im Bewußtsein der Leser, die sich an meine Erzählung ›Uära‹ erinnern.«
     »Sie bestehen also darauf? Warum? Um die Spuren zu verwischen? Meinen Sie wirklich, ich glaube Ihnen, daß die Dilnea eine Erfindung ist, wenn ich selbst von dort gekommen bin?«
     »Aber Sie haben doch Ihren Namen genannt. Sie sind Nikolai Larionow.«
     »Dort hieß ich anders. Ich bin Raurbef!«
     In Tunjawskis spöttischen Augen flammte Angst auf, verlosch aber gleich wieder. An ihre Stelle trat Mitgefühl.
     »Nun gut, gut!« sagte er. »Ich glaube Ihnen! Wirklich, ich glaube Ihnen! Sie müssen ausruhen, Sie brauchen eine Luftveränderung. Sind Sie schon lange aus dem Krankenhaus? Sie hatten einen Nervenzusammenbruch, nicht wahr?«
     »Sie irren sich. Ich bin gesund. Aber was ist da zu machen! Sie glauben meinen Worten nicht. Ich hoffe jedoch, Sie werden sich Tatsachen nicht verschließen.«
     Ich zog das Etui aus der Tasche, nahm das Klümpchen Materie heraus und legte es auf den Tisch.
     »Eroja«, sagte ich leise, »hörst du mich?«
     »Ich höre dich«, antwortete sie, »was willst du, mein Lieber?«
     »Ich möchte, daß du mit diesem Menschen sprichst und ihm sagst, wer wir sind und woher wir kommen. Er versichert mir, er habe uns beide ausgedacht…«
    8

    Später haben Eroja und ich im Hotelzimmer öfter an diese Episode gedacht. Nein, der Phantast war nicht auf der Höhe. Er war einfach erschrocken, dumm und vulgär erschrocken, so wie die Menschen des XVIII. Jahrhunderts erschraken, die an böse Kräfte aus dem Jenseits glaubten. Vor Schreck verlor er seine Redegewandtheit und seinen Humor, er wurde blaß und fiel in einen Sessel. Ich mußte in seiner Hausapotheke kramen, um Baldriantropfen und Validol zu suchen. Leider hatte ich keine Arzneien von der Dilnea bei
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