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Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind
Autoren: Anne Holt
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nicht witzig zu finden.
    »Du bist intelligent genug, um zu wissen, daß wir die Messer noch nicht auf Fingerabdrücke untersuchen konnten. Aber sie haben tief zwischen den Steinen gesteckt, also mußt du sie ausgiebig angefaßt haben. Vielleicht hattest du Handschuhe an.
    Vielleicht gibt es keinen einzigen Fingerabdruck. Aber wir sind jetzt sehr viel weiter als noch vor zwei Stunden. Vor allem, weil du gelogen hast. Jetzt sind wir so weit, daß wir das Wochenende angehen können.«
    »So weit, daß wir Anklage erheben können, Maren. Sie wissen doch, was das bedeutet?«
    Hanne Wilhelmsen hatte nichts vom triumphierenden Tonfall ihres Kollegen. Sie schien nur traurig zu sein. Maren Kalsvik wußte natürlich, was das bedeutete.
    »Am Montag wirst du dem Untersuchungsrichter vorgeführt.
    Und bis dahin bleibst du hier.«
    Vorsichtig wickelte er die Messer wieder ein.
    »Und die U-Haft wird uns erlaubt, Maren. Mach dir das Wochenende nicht mit leeren Hoffnungen kaputt.«
    Es war vorbei.
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    Das Ohrensausen legte sich. Der eiserne Reifen um die Lunge gab langsam nach. Wärme strömte durch ihren Körper, angenehm und fast berauschend. Ihr Körper fühlte sich leicht und zugleich bleischwer an. Ihre Schultern senkten sich, und plötzlich merkte sie, wie weh ihr Kiefer tat. Langsam öffnete sie den Mund und gähnte, mehrere Male. Es knackte.
    Es war vorüber.
    Sie war schuldig. Sie hatte sich ein sinnloses Leben erschwindelt. Olav war tot. Ein Junge von nur zwölf Jahren.
    Zwölf elenden, miserablen Jahren. Er war zu ihr gekommen und gestorben. Es war ihre Schuld gewesen.
    Es spielte kaum noch eine Rolle, was diese Menschen sagten.
    Es spielte keine Rolle mehr, was aus ihr wurde. Von hier aus gab es nur einen Weg. Sie mußte bezahlen. Sie konnte mit ihrem eigenen Leben bezahlen.
    »Ich möchte jetzt schlafen«, sagte sie leise. »Können wir nicht morgen weitersprechen?«
    Hanne und Billy T. starrten einander an, dann schaute die Hauptkommissarin auf die Uhr.
    »Sicher können wir das«, sagte sie. »Und Sie müssen mit einem Anwalt reden. Darauf bestehe ich jetzt.«
    Maren Kalsvik lächelte, blaß und müde.
    »Darum kümmern wir uns morgen früh«, sagte Hanne
    Wilhelmsen noch. »Jetzt können Sie schlafen.«

    Es dauerte eine Weile, bis der diensttuende Adjutant die Formalitäten erledigt hatte. Und Hanne wollte sich noch davon überzeugen, daß ein Arzt sich um Maren Kalsvik kümmerte.
    Aus bitterer Erfahrung wußte sie, daß auf das Personal vom Arrest nicht immer Verlaß war, schon gar nicht an einem Freitagabend.
    Übrigens war inzwischen schon Samstag.
    279
    »Kannst du mich nach Hause fahren, Billy T.?« fragte Hanne, als Maren im Hinterhaus untergebracht worden war. »Kannst du nicht mit mir nach Hause kommen, zu Cecilie?«
    Das konnte er eigentlich nicht, aber nach einem raschen Anruf bei seiner Schwester legte er den Arm um Hanne und führte sie hinaus zu seinem Wagen, der auf dem Behindertenparkplatz stand, ohne daß jemand von der Wache zu mucksen gewagt hätte. Sie schwankte leicht und ließ sich müde auf den Sitz fallen. Erst als Billy T. den Wagen zwanzig Meter von Hannes Haus entfernt in die winzigste Parklücke aller Zeiten geschummelt hatte, sagte sie etwas. Hanne machte keinerlei Anstalten auszusteigen.
    »Zwei Dinge wüßte ich gern«, sagte sie erschöpft.
    »Was denn?«
    »Erstens: Glaubst du, sie wird alles zugehen?«
    »Aber sicher. Wir kriegen mindestens vier Wochen U-Haft.
    Und es war der Frau doch anzusehen. Die Erleichterung. Sie hatte doch sogar wieder ein bißchen Farbe im Gesicht. Noch zwei Verhöre, und dann kommt alles heraus. Maren Kalsvik ist nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Und sie glaubt an Gott. Ihre Seele brennt doch nach einem Geständnis. Und wir müssen versuchen, ihr dieses Geständnis so einfach wie möglich zu machen. Sie wird gestehen. Ganz bestimmt.«
    »Und können wir mit einem Urteil rechnen, wenn sie nicht gesteht?«
    »Wohl kaum. Das weißt du genau. Aber sie wird gestehen.
    Und das ist der beste Beweis der Welt. Ein Geständnis.«
    Seine Finger trommelten auf dem Lenkrad herum. Dann sah er Hanne an.
    »Und was möchtest du sonst noch wissen?«
    »Ich möchte so verdammt gern wissen –«, sagte Hanne leise und hüstelte.
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    Dann klang ihre Stimme schon energischer. »Ich möchte wissen, wofür das T. in Billy T. steht.«
    Er legte den Kopf in den Nacken und lachte auf.
    »Das wissen nur meine Mutter und ich, verdammt noch mal.«
    »Bitte, Billy T. Ich sag es
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