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Dirk und ich

Dirk und ich

Titel: Dirk und ich
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Schneeflöckchen, Weißröckchen
    Der erste Schnee fiel in diesem Jahr Anfang Dezember, an einem Samstag.
    Dirk und ich, wir kamen morgens in die Küche, wo Mami und Papi schon am Frühstückstisch saßen. Papi musste samstags nicht arbeiten, weil da die Bank geschlossen hatte, wo er Abteilungsleiter war. Mami arbeitete auch, als Sekretärin in Brauns großer Fabrik, aber nur halbtags. Sie erzählte immer allen Leuten, die andere Hälfte vom Tag würde sie dazu brauchen, Papi und uns den Dreck hinterherzuräumen, den wir in der Wohnung machten.  
    Mami saß also mit Papi am Frühstückstisch und hatte gemütlich die Hände auf ihren dicken Schwangerbauch mit dem Baby drin gelegt. Guckt mal aus dem Fenster raus, sagte sie, wie das Land sich einen weißen Mantel umgelegt hat.
    Dirk und ich, wir stellten uns ans Fenster und schauten raus. Dirk sagte, er könnte zwar keinen Mantel sehen, aber alles wäre voller Schnee, und wie klasse das wäre, weil wir jetzt Schlitten fahren und Schneemänner bauen könnten.
    Es fielen massenweise Schneeflocken runter vom Himmel, Millionen und Millionen. Ich suchte mir eine einzelne aus, die noch ganz oben war, und guckte ihr so lange nach, bis sie auf dem Boden lag bei den anderen.
    Wir wohnten damals noch in dem Haus am Stadtrand, mitten im Wald. Diese Tante von Papi, von der wir später das Haus in der Stadt erbten, die war noch am Leben. Björn war auch noch nicht geboren, er kam erst im Jahr darauf im April zur Welt. Ich hatte auch Tobi noch nicht, mein Meerschweinchen, und Behruz, den dicken Perser, der später mein Freund wurde, lernte ich erst viel später kennen.
    Aber Richard war schon mein bester Freund. Wir waren echte Blutsbrüder.
    Ich war sieben Jahre alt und Dirk war sechs.
    Jedenfalls, an diesem Tag mit dem vielen frischen Schnee wollten Dirk und ich Schlitten fahren nach dem Frühstück.
    Papi holte unseren Schlitten vom Dachboden runter. Er sagte, wir sollten die Kiste bloß nicht kaputt fahren, so wie letztes Jahr, als Dirk gegen einen Baum gerast war und sich den Arm gebrochen hatte.
    Dirk war immer viel mutiger als ich, aber dafür hatte ich mir auch noch nichts gebrochen. Außer mal im Sommer, da war ich mit dem Fahrrad ein bisschen gegen eine Laterne gefahren. Ich hatte mir zwei Zähne ausgeschlagen und runtergeschluckt. War aber nicht schlimm gewesen, weil, das waren Milchzähne.
    Während Papi den Schlitten holte, packte Mami unsin warme Klamotten. Wir mussten Handschuhe anziehen und unsere Pudelmützen. Zuletzt wickelte Mami uns noch die dicken Schals um den Hals, die Oma für uns gestrickt hatte.
    Oma war Mamis Mutter. Wenn sie bei uns war, gab es meistens Krach, weil sie Papi nicht leiden konnte. Sie erzählte immer, Papi wäre in seiner Jugend so ein schrecklicher Halbstarker gewesen. Der wäre mit seinem Motorrad durch die Gegend gefahren, um alte Leute zu erschrecken, und nie würde sie verstehen, warum Mami so einen angeberischen Blödmann geheiratet hatte.
    Oma erzählte viel von früher. Am liebsten erzählte sie, wie sie nach dem Krieg durch die zerbombte Gegend geflüchtet war und wie sie dabei Tante Gertrud auf ihrem Rücken rumgeschleppt hatte. Dann tat mir Oma immer sehr leid, weil, Tante Gertrud war total fett.
    Papis Mutter war schon gestorben, als Dirk und ich noch gar nicht auf der Welt waren. Opas hatten wir auch keine.
    Mami wickelte uns also die Schals um den Hals und dabei sagte sie, wir sollten gut auf uns aufpassen, damit wir uns nicht wieder irgendwelche Knochen oder Zähne brechen. Und dann ging es endlich los.
    Es gab da eine große Wiese mit einem ganz langen Abhang bis runter zum Schwarzenbach, die war nur eine Viertelstunde von unserem Haus entfernt. Da gingen Dirk und ich hin.
    Der Schnee lag ziemlich hoch, und als wir ankamen bei der Wiese, da schneite es immer noch. Es war sehr kalt und still überall. Das einzige Geräusch kam von den Schneeflocken, wie sie leise auf die Erde fielen, und von unseren Stiefeln, wie sie durch den Schnee stapften. Wir kletterten den Abhang rauf und ich zog den Schlitten hinter mir her.
    Als wir oben ankamen, wollte Dirk natürlich gleich an der steilsten Stelle von allen runterfahren, die direkt zum Bach führte. Ich dachte mir gleich, dass das nicht gut gehen konnte, aber ich sagte nichts, damit Dirk nicht dachte, ich wäre ein Feigling.
    Wir setzten uns auf den Schlitten, Dirk
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