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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume
Autoren: Maria Duenas
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anpacken musste, um die kleine Truppe durchzubringen, die wir gemeinsam mit meiner Mutter, meinem Großvater und der künftigen Kinderschar bilden würden. Also willigte ich schließlich ein. Nachdem wir uns entschlossen hatten, fehlte uns nur eins: eine Schreibmaschine, auf der ich Tippen lernen und mich auf die unumgängliche Schreibmaschinenprüfung vorbereiten konnte. Ignacio hatte Jahre damit zugebracht, auf fremden Maschinen schreiben zu lernen, und einen Leidensweg durch triste Akademien hinter sich, in denen der Geruch nach Tinte und Schweiß hing. Er wollte mir dieses Leid ersparen, und das bestärkte ihn in dem Wunsch, uns eine eigene Maschine anzuschaffen. In den folgenden Wochen machten wir uns auf die Suche nach ihr, als handele es sich um die größte Investition unseres Lebens.
    Wir prüften alle Möglichkeiten und rechneten alles immer wieder durch. Ich verstand nichts von Technik, doch mir schwebte für uns eine kleinformatige, leichte Maschine vor. Ignacio wiederum war die Größe egal. Er konzentrierte sich vielmehr auf die Preise, Lieferfristen und Mechaniken. Schon bald kannten wir sämtliche Verkaufsstellen in Madrid, verbrachten ganze Stunden vor ihren Schaufenstern und lernten die ausländischen Namen richtig auszusprechen, die entfernte Orte und Leinwandgrößen heraufbeschworen: Remington, Royal, Underwood. Wir hätten uns für irgendeine Marke entscheiden können; genauso gut für die Schreibmaschine einer amerikanischen Firma wie für die einer deutschen, aber letztlich wollten wir ein italienisches Modell aus dem Hause Hispano-Olivetti in der Calle Pi y Margall. Wie hätten wir ahnen sollen, dass wir mit diesem simplen Entschluss, mit der bloßen Tatsache, eine Türschwelle zu überschreiten, unserer gemeinsamen Zukunft den Todesstoß versetzten und unsere Lebenswege unabwendbar eine unterschiedliche Richtung nehmen würden?

2
    » Ich werde Ignacio nicht heiraten.«
    Bei diesen Worten erstarrte meine Mutter, und ihre Hand, mit der sie gerade eine Nadel einfädeln wollte, blieb in der Luft stehen.
    » Was sagst du da, Mädchen?«, flüsterte sie. Ihre Stimme hörte sich bestürzt und ungläubig an.
    » Dass ich ihn nicht mehr mag, Mutter. Ich habe mich in einen anderen verliebt.«
    Sie überhäufte mich mit Vorwürfen, flehte alle Heiligen im Himmel um Intervention an und versuchte mich mit den überzeugendsten Argumenten, die ihr einfielen, von meinem Entschluss abzubringen. Als sie feststellte, dass alles nichts nützte, setzte sie sich in den Schaukelstuhl neben meinen Großvater, schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
    Ich tat, als würde mich das alles nicht berühren, und bemühte mich, meine Nervosität hinter meinen mit Entschlossenheit vorgebrachten Worten zu verstecken. Ich hatte Angst vor der Reaktion meiner Mutter: Für sie war Ignacio zu dem Sohn geworden, den sie nie gehabt hatte, mit ihm hatte ein Mann seinen Weg in unsere kleine Familie gefunden. Sie unterhielten sich gerne miteinander, harmonierten, verstanden sich. Meine Mutter kochte ihm seine Lieblingsgerichte, polierte seine Schuhe auf Hochglanz, drehte seine Sakkos auf links, wenn sie mit der Zeit unansehnlich geworden waren. Er wiederum machte ihr Komplimente, wenn er sah, mit welcher Sorgfalt sie sich um seine Kleidung für die sonntägliche Messe bemühte, brachte ihr dulces de yema, feines Gebäck aus Eigelb und Zucker, mit und sagte manchmal – halb im Scherz, halb im Ernst – zu ihr, sie sei hübscher als ich.
    Mir war bewusst, dass mein kühner Entschluss dieses angenehme Miteinander zunichtemachen würde und dass ich damit nicht nur mein eigenes Leben auf den Kopf stellen würde, aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Meine Entscheidung stand unverrückbar fest: Es würde weder eine Hochzeit geben noch würde ich an Auswahlprüfungen teilnehmen, ich würde nicht auf dem Beistelltischchen Maschineschreiben lernen und niemals mit Ignacio das Bett teilen und Kinder mit ihm haben. Ich würde ihn verlassen, und keine zehn Pferde würden mich von meinem Entschluss abbringen.
    Die Niederlassung von Hispano-Olivetti hatte zwei große Schaufenster, in denen man den Passanten die Produkte des Unternehmens voller Stolz wie Preziosen präsentierte. Zwischen den beiden Fenstern befand sich die verglaste Eingangstür mit einer diagonal verlaufenden Stange aus polierter Bronze. Ignacio stieß die Tür auf, und wir traten ein. Obwohl ein Glöckchen uns angekündigt hatte, erschien nicht sofort jemand, um
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