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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume
Autoren: Maria Duenas
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vornehmen Damen über den Paseo de la Castellana flanierten, sich im Hippodrom oder im Poloclub an der Puerta de Hierro sehen ließen, im Sakuska ihren Tee tranken oder zur Messe in einem der großen Gotteshäuser erschienen. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis ich in die Geheimnisse der Schneiderei eingeweiht wurde, und so lange war ich das Mädchen für alles: diejenige, die die Asche aus den Öfen entfernte und die Stoffreste am Boden auffegte, die über dem Feuer die Bügeleisen erhitzte und, ohne zu schnaufen, zur Plaza de Pontejos lief, um Garn und Knöpfe zu kaufen. Diejenige, die sich darum kümmerte, die soeben fertiggestellten und in dunkelbraune Leinensäcke verpackten Modelle zu den feinen Adressen zu bringen: meine Lieblingsaufgabe, der aufregendste Zeitvertreib in meiner noch jungen Karriere. Auf diese Weise lernte ich die Concierges und Chauffeure der besten Häuser, die Zofen, Haushälterinnen und Butler der wohlhabendsten Familien kennen. Durfte, ohne dass man groß von mir Notiz genommen hätte, einen Blick auf die elegantesten Señoras, ihre Töchter und Ehemänner werfen. Gleich einem stummen Zeugen verschaffte ich mir Zugang zu ihren großbürgerlichen Häusern, aristokratischen Schlössern und luxuriösen Wohnungen in altehrwürdigen Gebäuden. Gelegentlich kam ich nicht weiter als bis zum Dienstboteneingang, und jemand vom Personal nahm mir das gute Stück ab, das ich in Händen hielt. Doch dann wieder bat man mich ins Ankleidezimmer, und um dorthin zu gelangen, hastete ich durch Gänge, spähte in Salons und verschlang mit meinen Augen die Teppiche, die Kronleuchter, die samtenen Vorhänge und die Flügel, auf denen manchmal gerade jemand spielte, während ich darüber nachdachte, wie sonderbar wohl das Leben in einer solchen Umgebung wäre.
    Meine Arbeitstage zwischen diesen beiden Welten verliefen ohne größere Zwischenfälle, ja, blieben fast von ihrer Unvereinbarkeit unberührt. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit lief ich durch jene breiten, von Toreinfahrten und großen Portalen gesäumten Straßen, wie ich durch die verschachtelten Gassen meines Viertels voller Pfützen und Abfälle ging, die erfüllt waren vom Geschrei der Händler und dem Gekläffe hungriger Hunde. Jene Gassen, die ein jeder stets eiligst passierte und wo man, wenn der Ruf » Wasser« ertönte, möglichst schnell in Deckung ging, damit man nicht mit Urin bespritzt wurde. Handwerker, kleine Händler, Angestellte und Tagelöhner, die erst seit Kurzem in der Hauptstadt waren, füllten die Mietshäuser und verliehen meinem Viertel die Seele eines Dorfes. Viele seiner Bewohner verließen es höchst selten und nur dann, wenn es unumgänglich war. Meine Mutter und ich dagegen machten uns jeden Morgen, gemeinsam und eiligen Schrittes, schon früh auf den Weg in die Calle Zurbano und gingen in der Schneiderei von Doña Manuela unverzüglich an die Arbeit.
    Nachdem ich bereits seit zwei Jahren in der Lehre war, kamen die beiden darin überein, dass ich nun nähen lernen sollte. Mit vierzehn begann ich mit den einfachsten Dingen: Schlaufen nähen, heften, lockere Heftnähte. Darauf folgten Knopflöcher, Absteppen und Säume. Bei der Arbeit saßen wir auf kleinen Stühlen aus Korbgeflecht, über Holzbretter gebeugt, die auf unseren Knien lagen und auf denen wir unsere Arbeit verrichteten. Doña Manuela sprach mit den Kundinnen, kürzte, probierte und änderte. Meine Mutter nahm Maß und kümmerte sich um den Rest: Sie nähte die anspruchsvolleren Dinge und verteilte die übrigen Aufgaben, überwachte deren Ausführung und gab ihrem kleinen Bataillon, bestehend aus einem halben Dutzend Schneiderinnen im reiferen Alter, vier oder fünf jungen Frauen und einigen geschwätzigen Lehrlingen, die stets zum Scherzen und Lachen aufgelegt waren, das Tempo und die Disziplin vor. Einige waren richtig gute Schneiderinnen, andere besaßen nicht das nötige Talent und mussten daher stets die gleichen undankbaren Aufgaben erledigen. Ihr Arbeitsplatz hatte so gar nichts von der heiteren Opulenz der Fassade oder der vornehmen Zurückhaltung des hellen Salons, zu dem lediglich die Kundinnen Zutritt hatten. Die beiden, Doña Manuela und meine Mutter, waren die Einzigen, die sich an seinen mit safrangelbem Stoff bespannten Wänden erfreuen konnten. Sie waren die Einzigen, die sich den Mahagonimöbeln nähern und über das Eichenparkett gehen durften, das wir Jüngeren mit Baumwolllappen zum Glänzen bringen mussten. Nur die beiden erhaschten hin
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