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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer
Autoren: Susanne Wiemer
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Mist, dachte sie.
    Eine Reifenpanne – und das in dieser gottverlassenen Gegend!
    Vier, fünf Meilen waren es noch bis Redhorn. Anabel wollte dort ihre Eltern besuchen – einfache Farmer, die sich immer noch nicht ganz, damit abgefunden hatten, daß ihre einzige Tochter in New York Karriere als Fotomodell machte. Anabel verbrachte jedes Jahr zwei Wochen zu Hause, aber in der Umgebung von Redhorn kannte sie sich trotzdem nicht mehr aus. Ob es hier irgendwo eine Telefonzelle gab? Vermutlich nicht! Anabel seufzte, stieß die Wagentür auf und stieg aus, um sich zunächst einmal den Schaden zu besehen.
    Das Rascheln im Gebüsch hörte sie zu spät.
    Zwei Männer tauchten auf, wie aus dem Boden gewachsen. Große, breitschultrige Männer in dunklen Trenchcoats. Ihre Augen waren im Dunkeln nicht zu erkennen, aber die Gesichter schimmerten wie blasse Ovale im Mondlicht, und auf diesen Gesichtern lag eine seltsame, leblose Starre, die Anabel erschreckte.
    Sie zuckte zurück.
    Furcht schoß in ihr hoch – eine dunkle Furcht, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Ihre Finger zitterten, und sie bemühte sich krampfhaft, nicht die Nerven zu verlieren.
    »Hallo«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich glaube, ich habe eine Panne, ich…«
    Alles ging blitzschnell.
    Einer der Kerle sprang auf das Girl zu und ergriff ihren Arm. Sie wollte schreien, doch da schob sich schon eine harte Hand über ihren Mund erstickte ihre Stimme. Der zweite Mann glitt hinter sie, etwas raschelte, und das letzte, was Anabel wahrnahm, war ein harter Schlag, der ihren Hinterkopf traf, eine Welle von Schmerz durch ihren Körper jagte und in der nächsten Sekunde ihr Bewußtsein auslöschte…
    ***
    Als sie wieder aufwachte, hatte sie jedes Zeitgefühl verloren.
    Sie glaubte zu schweben. Zuerst war das Gefühl angenehm, doch das änderte sich, als sie versuchte, die Augen zu öffnen. Grelles Licht blendete sie. Wie mit tausend Nadeln schien der Schmerz in ihr Gehirn zu stechen. Sie wollte den Arm heben, um ihr Gesicht zu schützen, und bei dieser Gelegenheit stellte sie fest, daß sie sich nicht rühren konnte.
    Sie stöhnte dumpf. Noch war sie benommen, noch schienen die Nachwirkungen der Bewußtlosigkeit sie wie ein Vorhang von der Wirklichkeit zu trennen und das Entsetzen zu dämpfen. Dunkel begriff sie, daß sie auf irgendeinem glatten, kühlen Polster lag und festgeschnallt war. Breite Riemen schnitten in die Haut an ihren Armen und Beinen, die Luft war kalt, feucht und modrig. Wie in einem Gewölbe. Stöhnend drehte Anabel den Kopf zur Seite, öffnete abermals die Augen und blinzelte vorsichtig durch die Lider.
    Der Raum, in dem sie sich befand, ähnelte tatsächlich einem Kellergewölbe. Graue Steinquader, dicke Metallrohre an den Wänden, dazwischen feucht glitzernde Rinnsale. Inzwischen hatten sich Anabels Augen an die Helligkeit gewöhnt, sie erkannte eine Art Operationslampe unter der Decke, und als sie den Kopf zur anderen Seite drehte, gerieten Schränke, alle möglichen Geräte und blitzende Apparaturen in ihr Blickfeld.
    Sie erschrak.
    War sie in einem Krankenhaus? Hatte man sie gefunden, ins Hospital gebracht, und lag sie jetzt vielleicht in einem Operationsraum?
    Natürlich, sie hatte einen Schlag auf den Kopf bekommen, sie mußte verletzt sein. Der Gedanke war erschreckend und gleichzeitig seltsam beruhigend. Man würde ihr helfen! Man würde…
    Sie zuckte zusammen.
    Schritte näherten sich – kurze, abgehackte Schritte. Dann schob sich eine Gestalt in ihr Blickfeld. Anabel sah einen weißen Kittel, sah das Stethoskop, das aus der Brusttasche ragte, und ihr Blick glitt höher und erfaßte das Gesicht.
    Zwei Augen!
    Schmale gelbliche Augen, glitzernd wie Bernstein!
    Sie starrten sie an, hielten ihren Blick fest, drangen ihr wie Sonden unter die Haut – und Anabel spürte förmlich, wie ihr die Wirklichkeit zu entgleiten drohte.
    Es kostete sie Mühe, die Lippen zu bewegen.
    »Wo – bin ich?« flüsterte sie. »Wer sind Sie? Wer…?«
    Der Fremde lächelte.
    Sein Mund war schmal, fast lippenlos, war scharf geschnitten wie fast alles in diesem Gesicht – aber Anabel sah es nicht. Sie nahm auch den kahlen, knochigen Schädel nicht wahr, nicht die eingefallenen Wangen und nicht die gelbliche trockene Haut, die sich wie altes Pergament über den Jochbeinen spannte. Ihr Blick hing an den gelben Augen, an den schimmernden goldenen Irisringen, und sie spürte, wie aus der Tiefe der dunklen Pupillenschächte eine Kraft hochstieg, die
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