Das dunkle Paradies

besiegen.«
    Er nickt, aber dann sagt er noch einmal: »Die Dinge ändern sich. Aber im Grunde bleibt alles beim Alten.«
    Ich höre Marschtritte. Eine Abteilung der Armee hat sich endlich aufgerafft und ist in die Stadt marschiert. Ich höre, wie sie sich aus einer Seitenstraße dem großen Platz nähert.
    Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.
    »Es macht mir nicht einmal etwas aus, dass du mich gefesselt hast«, sagt der Bürgermeister. »Aber jetzt muss du mich gehen lassen. Ich bin der Einzige, der sie besiegen kann.«
    Viola …
    Viola, was soll ich tun?
    »Ja, Viola«, sagt er, und seine Stimme klingt warm und einschmeichelnd. »Viola ist dort draußen, mittendrin, ganz allein auf sich gestellt.« Er wartet ab, bis ich ihm in die Augen schaue. »Sie werden sie töten, Todd. Ganz bestimmt. Und du weißt, dass ich der Einzige bin, der sie retten kann.«
    Wieder ertönt das Horn.
    Von Osten her hört man ein lautes Wumm!
    Die Schritte der Soldaten kommen näher.
    Ich sehe ihn an.
    »Ich werde Euch besiegen«, sage ich. »Ihr werdet noch an meine Worte denken. Ich werde Euch besiegen, immer und immer wieder.«
    »Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel«, sagt er.
    Aber er lächelt dabei.
    »Ihr rettet sie«, sage ich, »und Ihr bleibt am Leben. Wenn sie stirbt, dann sterbt Ihr auch.«
    Er nickt. »Einverstanden.«
    »Wenn Ihr versucht mir Euren Willen aufzuzwingen, dann werde ich Euch erschießen. Wenn Ihr versucht mich anzugreifen, werde ich Euch auch erschießen. Kapiert?«
    »Kapiert«, antwortet er.
    Ich warte noch einen Augenblick, aber es gibt keine Augenblicke mehr.
    Es ist keine Zeit mehr, um irgendetwas zu entscheiden.
    Welten kommen heranmarschiert, um gerade jetzt, gerade hier aufeinanderzutreffen.
    Und sie ist da draußen.
    Und ich werde mich nie wieder von ihr trennen, nicht einmal dann, wenn wir nicht beisammen sind.
    Verzeih mir, denke ich.
    Und ich trete hinter den Bürgermeister und binde ihn los.
    Er steht langsam auf, reibt sich die Handgelenke.
    Als das Signalhorn ertönt, blickt er auf.
    »Endlich müssen wir nicht mehr im Verborgenen kämpfen«, sagt er. »Endlich müssen wir nicht mehr diesen Schemen hinterherlaufen und brauchen all diesen abenteuerlichen Unsinn nicht mehr.« Er schaut mich an und hinter seinem Lächeln sehe ich den Wahnsinn auflodern. »Endlich kommen wir zum Wesentlichen, zu dem, was aus Männern Männer macht, zu unserer Bestimmung, Todd.« Er reibt sich die Hände, und seine Augen blitzen, als er es ausspricht.
    »Zum Krieg.«

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© Debbie Smith
    Patrick Ness wuchs in den USA auf und lebt seit 1999 in London. Der vielfach ausgezeichnete Literaturkritiker und Radio-Autor hat mehrere erfolgreiche Romane für Erwachsene sowie Jugendliche verfasst und unterrichtet Kreatives Schreiben an der Universität von Oxford. Die Romantrilogie »New World« war sein erstes Werk für Jugendliche.
    Mehr über den Autor auf www.patrickness.com